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Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Titel: Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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nach München gezogen, hatte eine Zweizimmerwohnung im Stadtteil Lehel angemietet, nicht weit entfernt von Tims eigener Wohnung, und schon jetzt hatte sie mehr Freunde und Bekannte als Tim in seinem ganzen Leben.
    Aber war das verwunderlich? Man musste mit ihr nur in einen Supermarkt gehen, und keine fünf Minuten später war sie im Gespräch mit irgendjemandem. Sie hatte einfach ein Gespür für Menschen und wusste, wie man mit ihnen umging.
    Und das ging Tim tierisch auf die Nerven.
    Sie war in seine Stadt gezogen, in die Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war, und trotzdem hatte es den Anschein, als führe sie ihm ebendiese Stadt vor. Ella präsentierte ihm ihre Freunde; führte ihn ins Münchner Nachtleben ein; zeigte ihm nette Bars und Clubs; sie behandelte ihn, als sei er gerade erst hergezogen. Das alles entsprang ihrem Wesen, denn sie war nun einmal ein kontaktfreudiger Mensch und wollte alles mit ihm teilen. Das wusste er. Dennoch brachte es ihn allmählich auf die Palme.
    Das Problem war, dass es nichts gab, was er ihr zeigen konnte. Er hatte damals den Kontakt zu seiner Clique verloren, als er nach Kuba gegangen war, und seit er wieder hier war und für Loki arbeitete, hatte er kaum Zeit zum Atmen, geschweige denn, um sich in irgendwelchen Szeneclubs herumzutreiben oder singende Dreadlocks-Typen aufzugabeln. Da gab es nicht einmal ein Mädchen, mit dem er versuchen konnte, sie eifersüchtig zu machen, wenn er das gewollt hätte.
    Und dann war da noch Loki.
    Seit der Sache in Kiel hatte Loki es sich in den Kopf gesetzt, den Oberstudiendirektor der Veden-Schule zu überwachen wie einen Schwerkriminellen. Tim musste jede seiner Bewegungen verfolgen. Wenn er sich nur eine Packung Kaugummis an einer Tankstelle kaufte, wollte Loki darüber informiert werden. Beinahe vierundzwanzig Stunden am Tag saß Tim vor den vier Monitoren in Lokis Büro, verfolgte die Daten, die mithilfe der unterschiedlichen Spyware hereinkamen, hörte seine Telefonate mit, las seine E-Mails, verfolgte sein Treiben in den sozialen Netzwerken im Internet, fuhr mit dem Finger auf der virtuellen Landkarte seine Reiserouten nach und sah ihm über die städtischen und privaten Kameras dabei zu, wie er sein Vermögen für kostspielige Klamotten, Spirituosen und Zigarillos ausgab oder durch die Fußgängerzone schlenderte. Tim kannte den Oberstudiendirektor Caestus Veden bald besser als seine eigene Freundin.
    Mit Veden war irgendetwas nicht koscher, da stimmte er Loki zu, aber wie immer übertrieb es sein Cousin ins Unermessliche. Das einzige Vergehen, das Tim nach einem ganzen Jahr Überwachung zu verzeichnen hatte, bestand darin, dass Veden seinen Rolls Royce für eine Minute verkehrswidrig abgestellt hatte, um einen Brief einzuwerfen. Und er hatte eine Vorliebe für sehr viel jüngere Mädchen, die freimütig die Kleider abstreiften, sobald sie ihn nur erblickten. Sie sprangen in sein Bett, als ginge es um ihr Leben. Aber das war beileibe nicht illegal.
    Der Einzige, der sich strafbar machte, war Loki. Wenn der Hauptkommissar der Filii Iani wüsste, was sein Untergebener da seit einem Jahr trieb, bekäme er wahrscheinlich einen Schlaganfall, zusammen mit einem Ganzkörperhautausschlag.
    Der Skandal um den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Snowden und dessen Enthüllung war ein Witz gegen das, was Loki fabrizierte. Der Bevölkerung bliebe der Empörungsseufzer im Halse stecken, wenn sie wüsste, wozu das Bundeskriminalamt – genauso wie die NSA – tatsächlich fähig war, und was es mit völlig legitimen Mitteln bereits durchführte. Loki aber trieb es auf die Spitze. Er sprengte den Rahmen nicht, er hatte ihn geradezu atomisiert.
    Dass Tim heute Ausgang bekommen hatte, war Vedens Ankunft in München zu verdanken. Jährlich kam er einmal hierher, um verschiedene Termine bei der Behörde der Filii Iani wahrzunehmen, sowohl privat als auch im Auftrag der Schule. Und allem Anschein nach war er am heutigen Abend auf der Gala, die zugunsten irgendwelcher Waisenkinder abgehalten wurde; Filii Iani-Waisen natürlich, verstand sich ja von selbst. Loki zumindest hatte sich in seine beste abgewetzte Jeans geworfen und war losgefahren, und Tim war sich sicher, dass er jetzt irgendwo auf dieser Veranstaltung im Schatten stand und vor sich hinstarrte, auf der Suche nach Veden, in den Ohren die Kopfhörer mit seiner grauenhaften Techno-Musik.
    Ella riss ihn aus den Gedanken. Sie hielt ihm eine Tasse mit dunkler Flüssigkeit hin, die er für Kaffee hielt,

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