Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
fragte sie schließlich.
Tim lachte. »Du hast also Lokis Bekanntschaft geschlossen. Ich bin Johnny. Das heißt, ich bin Tim, aber er nennt mich so. Frag mich bloß nicht, warum. Wann habt ihr euch kennen gelernt?«
Wieder senkte sie den Blick. »Tim, ich bin hier, weil ich dir etwas sagen muss. Aber bevor ich das mache …« Sie verstummte, zog den Reißverschluss ihres Rucksacks auf und holte die Gummibärchen heraus. »Die habe ich dir mitgebracht. Ich hoffe, du magst sie.« Ella legte sie auf seinen Schoß. Als er etwas sagen wollte, schüttelte sie den Kopf. »Bitte, lass mich erst erklären. Danach bist du an der Reihe.«
Sie räusperte sich, sah ihm fest in die Augen und begann, von ihrer journalistischen Aktion zu berichten, bei der sie sich letztlich kennen gelernt hatten.
*
Loki von Schallern überquerte das Grundstück der Veden-Schule, den Rollkoffer hinter sich herziehend. Es war ein überraschend schöner Tag; ein tiefdunkler blauer Himmel breitete sich über dem alten Gemäuer aus. Der milde Wind trug den Herbstgeruch nach nahendem Winter, Erde und Vergänglichkeit in sich.
Sein Handy klingelte.
Er blieb stehen und griff in die Innenseite seiner Jacke. Nachdem Loki einen Blick auf das Display geworfen und den Anrufer identifiziert hatte, machte er einige Schritte vom Fußgängerpfad zur Seite und hob schließlich ab.
»Loki«, sagte die alte, rauchige Stimme.
»Guten Tag, Doktor«, erwiderte Loki leise. »Welcher Umstand verschafft mir die Ehre, einen Ihrer so raren Anrufe entgegennehmen zu dürfen?«
»Ich habe dir bereits eine E-Mail gesendet, zusammen mit den gewünschten Unterlagen. Angesichts der Sprengkraft ihres Inhalts konnte ich allerdings nicht warten, bis du die Zeit hast, sie abzurufen.«
Einen Augenblick war es vollkommen still in der abhörsicheren Leitung.
Loki richtete die graublauen Augen gen Himmel, dann sagte er: »Dann habe ich also Recht mit meiner Annahme, Spiritus Rector?«
Ein leises Lachen ertönte. »Vollends.«
Erneut verstrich ein Moment der Stille.
»Keine Läsionen im Frontallappen bei den anderen Entführungsopfern?«, fragte Loki schließlich.
»Nicht einmal ansatzweise.«
»Die Gewaltbereitschaft und damit einhergehenden kannibalischen Anwandlungen entsprangen der Droge?«
»Exakt. Mahlstedts, Hansens und van Laans Frontallappen sind geradezu verwüstet, alle anderen Opfer weisen keinerlei Beeinträchtigungen auf. Wie du vermutet hast, waren jene drei mit Filii Iani-Begabungen geschlagen, doch nur van Laan wusste davon. Mahlstedt und Hansen waren weder registriert noch war ihnen bewusst, über welche Fähigkeiten sie verfügten.«
Dieses Mal zog sich das Schweigen in die Länge. Mit starrem Blick sah Loki weiterhin gen Himmel, während in der Leitung absolute Geräuschlosigkeit herrschte.
»Danke, Doktor«, sagte Loki schließlich leise. Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Darf ich ein Bekenntnis ablegen?«
»Ich bitte darum.«
»Ich habe mir insgeheim gewünscht, dass sich diese Eventualität bestätigt. Wenngleich ich überaus unglücklich über den Tod Chesters bin, der de jure unschuldig war.«
Das raue Lachen tönte durch die Leitung, das alles andere als fröhlich klang. »Bisher ist nichts bewiesen, mein Lieber. Es gibt unzählige Denkbarkeiten, die sich daraus ergeben.«
»Wie Sie wissen, verlasse ich mich mit Vorliebe auf das, was ich ausschließlich mir selbst beweisen kann. Haben Sie auch die andere Erkundigung durchgeführt, um die ich Sie gebeten habe?«
Ein tiefer Atemzug war zu hören, anschließend ein ebenso langes Ausatmen, als rauche Lokis Gesprächspartner. »Gewiss. Wir haben einige Vorfälle verzeichnet, in welchen besondere Gaben Schädigungen im Gehirn hervorgerufen haben, vorzüglich jene, in welchen ein Filii Iani auf den Geist anderer zugreift, doch darunter sind keine, die dem Vorliegenden nahe kommen. Wie ich bereits sagte: Bewiesen ist nur, dass du dir unlängst eine Meinung gebildet hast, mein Lieber, und du weißt, wie ich darüber denke.«
Loki richtete den Blick auf das Schulgebäude zu seiner Linken. »Doktor, ich muss einen Flug erreichen.«
»Loki?«
»Ja?«
»Ich habe dir diese Informationen gerne beschafft, das weißt du. Und beinahe fühle ich mich schlecht, weil ich gewisse weitere Nachforschungen getätigt habe. Dennoch halte ich es für angeraten, dir ans Herz zu legen, Tina Winter anzurufen. Du kannst nicht unablässig vor zwischenmenschlicher Nähe davonlaufen.«
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