Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
und lächelte von oben auf ihn hinunter. »Möchtest du? Das ist ein Espresso mit einem Schuss Baileys.«
»Nein, danke. Nach diesem Bier ist Schluss für mich. Ich muss noch fahren.«
Sie neigte den Kopf, bückte sich zu ihm hinunter und schob mit der freien Hand seine Arme zur Seite. Bevor sie sich seitlich auf seinen Schoß setzte, drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen. »Lass das Auto stehen«, sagte sie. Ihr Atem an seiner Wange roch nach Alkohol. »Wir möchten noch weiterziehen in einen Club. Komm mit, Tim. Du brauchst eine Pause, das weißt du. Und ich würde mich so freuen, wenn wir heute zusammen feiern könnten.«
Tim warf einen Blick auf den Gitarrenspieler, der eine sehr experimentelle Version von Light My Fire zum Besten gab. Der Gedanke, dass Ella allein mit diesem Kerl zum Feiern ging, wie sie es nannte, behagte ihm überhaupt nicht. Aber er hatte auch keine Lust, sich von diesen Leuten einen der Clubs zeigen zu lassen, als sei er ein Ausländer. Er hatte ohnehin das Gefühl, nur deshalb in ihrem Sozialpädagogen-Kreis geduldet zu sein, weil er nun einmal Ellas Anhängsel war. Und wenn er mitging, musste er sich gehörig betrinken, um es durchzustehen, was wiederum bedeutete, dass er morgen von Loki an den Haaren ins Büro geschleift werden würde und mit einem bombastischen Kater Veden beim Leben zusehen müsste.
Ihm wurde bewusst, dass er ein Gesicht machte, als hätte sie ihm offenbart, dass sie die nächsten zehn Stunden in einer Oper mit unverständlichen Gesängen und sprechendem Obst verbrächten. Er versuchte, zu lächeln, griff nach ihrer freien Hand und verschränkte seine Finger mit ihren.
»Warum kommst du nicht einfach mit zu mir?«, fragte er und küsste ihren Hals. »Ich kann dir zeigen, wie ich feiere.«
Ella rückte von ihm ab, und das war kein gutes Zeichen. Die Bewegung kam zu abrupt, zu ruckartig. Und ihr forschender Blick bestätigte, dass sie seine Bedenken witterte. Als Journalistin hatte sie selbstverständlich ein Gespür für jede feinste Stimmungsschwankung. Sie sagte nichts, und das musste sie auch nicht. Sie war wie ein Elternteil, welches das Kind mit einem scharfen Blick bestraft.
»Was?«, fragte Tim gereizt.
Der elende Kerl mit seiner Gitarre vermasselte inzwischen das ganze schöne Solo von Robby Krieger. Die Dissonanz war kaum auszuhalten.
Ella warf einen Blick auf den Frevler mit seinem Folterinstrument, musterte wieder Tim und stand schließlich auf. »Würdest du bitte einen Moment mit raus kommen?«
»Gern.«
Tim trank den letzten Schluck aus seinem Bier, stellte es auf dem Tisch ab und folgte ihr in die Küche der Wohngemeinschaft, in der absolutes Chaos herrschte. Neben verkrusteten Töpfen stand eine Pfanne auf dem Herd, in der verschiedene Sorten Gemüse in einem See aus Öl Schiffe versenken zu spielen schienen: wessen Schimmel zuletzt am schwersten wurde, sodass das Gemüseschiff versank, hatte gewonnen. Überall auf den Ablagen standen leere Flaschen herum. An den vergilbten Wänden, die dem Fortschritt der herunterbröckelnden Farbe nach zu urteilen schon seit Jahrzehnten keinen Neuanstrich erhalten hatten, hingen Papierfetzen mit Koch- und Backrezepten. Die Fliesen über der verdreckten Spüle und dem Herd waren braun, und Tim wettete, dass sich darunter ein frisches Weiß verbarg, wenn er mit dem Finger drüberwischen würde.
Ella stellte sich mitten in den Raum hinein, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn wieder mit diesem mütterlich-enttäuschten Blick an.
Tim streckte die Hand nach ihr aus, wollte sie an sich ziehen, doch sie rührte sich nicht. Er ließ den Arm sinken. »Was ist denn jetzt los?«, fragte er, und erneut hörte er aus seiner Stimme den Missmut heraus, den er eigentlich hatte vermeiden wollen. »Was habe ich falsch gemacht?«
»Du magst meine Freunde nicht.«
Tim lachte auf. »Blödsinn!« Er senkte den Blick und erkannte im gleichen Moment, dass dies das falsche nonverbale Signal war. Es kam einem Geständnis gleich. Seufzend lehnte er sich gegen die Küchenanrichte. Plötzlich fühlte er sich müde. »Ella, bitte, ich will jetzt nicht streiten. Du weißt, dass ich morgen um sieben wieder bei der Arbeit sein muss, und dass mir dieser Scheiß zum Hals raushängt. Also bitte mach es nicht noch schlimmer, okay?«
»Schlimmer? Ich ?«
Er blinzelte sie an, darauf wartend, dass sie noch etwas sagte, aber das tat sie nicht. Natürlich nicht. Sie wartete darauf, dass er zu stammeln anfing, damit er sich
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