Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
umgeben war und setzte sich wieder in Bewegung. »Der kam später hinzu. Eindeutig Barock, geprägt vom niederländischen Stil. Viel zu überladen, wenn du mich fragst.«
Tim betrachtete den Brunnen, warf einen Blick auf das Schulgebäude und konnte überhaupt keinen Unterschied erkennen. Für ihn sah das einfach alles alt aus. Alt und vom Wetter gezeichnet. »Eindeutig«, murmelte er.
»Und die Gebäude außen herum, die Wohnhäuser, wurden noch später erbaut. Jugendstil. Geradezu scheußlich.«
Dieses Mal machte sich Tim gar nicht die Mühe, die besagten Häuser näher nach Gegensätzen zu untersuchen. Er warf einen Blick zu ihnen hin und war mehr von ihrer unmethodischen Anordnung und der vielen Grünfläche begeistert. Sah idyllisch aus.
»Ganz meine Rede«, sagte er lakonisch und begegnete Lokis Blick. Sein Cousin sah ihn mit einem amüsierten, suchenden Gesichtsausdruck an, und wieder einmal hatte Tim das Gefühl, er wüsste, was in ihm vorging. »Was ist?«, fragte Tim gereizt.
Statt zu antworten, wandte sich Loki ab und sagte: »Ah, sieh an, wir werden erwartet!«
Ein Mann Mitte dreißig lief die Stufen vom Hauptgebäude herunter und kam über den Platz auf sie zu. Der Kerl trug einen schicken dunkelgrauen Anzug, der sicher nicht günstig war, und das blonde Haar über dem glatt rasierten Gesicht war akkurat gestutzt und zurecht gemacht. Sein Gang hatte etwas Federndes, Kraftvolles. Er blieb vor ihnen stehen, richtete strahlend blaue Augen auf sie und lächelte.
»Sie sind die Inspektoren vom Schulamt, nehme ich an?«
»Ganz recht. Von Schallern, und das hier ist Herr Jung.« Loki streckte die Hand aus.
Ihr Gegenüber hob die Hand, schob den Anzugärmel zurück und offenbarte Lederriemen, die um Unterarme und zur Hälfte um die Hände geschlungen waren. Die Teile sahen ziemlich ungemütlich aus, und das abgeriebene Leder an den Knöcheln verriet, dass er sie nicht zur Zierde trug.
»Wundern Sie sich bitte nicht über die Beschaffenheit meines Händedrucks«, sagte er, griff nach Lokis Hand und schüttelte sie, anschließend streckte er sie Tim hin. »Das ist eine Schulkrankheit, diese Riemen. Sie wissen ja sicher, dass wir hier eine bestimmte Kampfsportart unterrichten?«
»Natürlich.« Loki erwiderte das Lächeln. »Und mit wem zu sprechen haben wir die Ehre?«
Der Mann richtete sich auf, vergrub die Hände leger in den Hosentaschen und blickte auf den gut eineinhalb Köpfe kleineren Loki hinunter. »Caestus Veden, Direktor der Schule.«
Tim rieb sich die Hand, die ihm vom Direktor beinahe zerquetscht worden war und schielte auf die parkenden Autos hinüber. Ferrari, Porsche, Rolls Royce … Mit einem Naserümpfen wandte er sich um. »Sind Sie nicht sehr jung, um Direktor einer Schule zu sein?«
Die blauen Augen und das Lächeln richteten sich auf Tim. »Ich denke, ich sehe jünger aus, als ich tatsächlich bin, Herr Jung.« Er lachte und zeigte schneeweiße Zähne. »Ein unbeabsichtigtes Wortspiel. Darf ich Ihnen jetzt Ihre Unterkunft zeigen, meine Herren? Sie wollen sich nach der langen Reise bestimmt erst einmal ausruhen.«
Tim nickte. »Ja, das wäre –«
»Eine Erfrischung genügt«, unterbrach ihn Loki. »Womöglich erweisen Sie uns die Hochachtung eines Gesprächs bei einem Kaffee?«
Während er das sagte, setzte er ein Lächeln auf, das sich auf den Mund beschränkte. Die graublauen Augen waren konzentriert auf Veden gerichtet, und Tim konnte den Ansatz einer Falte zwischen den Brauen erkennen. Kein gutes Zeichen. Gar kein gutes Zeichen. So hatte er Loki das letzte Mal dreinschauen sehen, als einer der Mieter in München das Badezimmer unter Wasser gesetzt und diese Sache vor ihm hatte vertuschen wollen.
Der Direktor erwiderte den Blick, zuckte die Schultern und sah auf seine Armbanduhr. »Sehr gerne. Kommen Sie mit.«
Tim folgte Loki und dem Direktor. Sie gingen auf das Hauptgebäude zu und die Stufen hinauf. Im Inneren roch man sofort, dass es sich um eine Schule handelte. Modriger Staub, der sowohl von alten Möbeln wie auch von Unmengen an Büchern stammte, schlug ihnen entgegen. Über all dem schwebte der chemische Geruch frisch bedruckten Papiers. Die Flure waren breit und lang, die Decken hoch und der Pomp genau so, wie ihn sich Tim für eine Eliteschule vorgestellt hatte. Überall prangten Bilder zeitgenössischer Kunst an den Wänden. Farbkleckse und wahllos niedergestrichene Linien versuchten, das alte Gebäude in die Gegenwart zu holen. Selbst das riesige Schild, das
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