Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
und wies vage auf ein Fenster im zweiten Stock.
Der Blick des Polizisten folgte ihrem Fingerzeig, aber erneut schüttelte er den Kopf. »Keine Chance. In diesem Gebäude befinden sich Einsatzkräfte, deshalb kann ich Sie auf keinen Fall hineinlassen. Wenn Sie jetzt bitte zurücktreten würden?« Er drängte einen Schritt nach vorne.
Erbost wandte sich Ella um. Das Glück schien ihr doch nicht gewogen. Sie marschierte an der Hauswand weiter, in die entgegengesetzte Richtung zum vermeintlichen Tatort und blieb einige Meter abseits des knallharten Beamten stehen. Erneut zog sie das Smartphone aus der Hosentasche und holte sich die Straßenkarte her.
Vergeblich. Der Innenhof – der Tatort – lag zwischen diesem und dem angrenzenden Gebäude, ansonsten konnte man ihn nicht einsehen.
Ella gab sich geschlagen. Sie würde den Artikel aus dem zusammenstöpseln müssen, was ihr Zobel an Informationen lieferte. Immer noch besser als das, was die Kollegen der anderen Zeitungen zu bieten hatten, da war sie sicher. Ein Foto allerdings wollte sie noch machen, und wenn auch nur von der vermaledeiten Absperrung. Also drehte sie sich um und ging den Weg zurück, machte aber einen Bogen um den Polizisten.
Zurück in der Auffahrt ignorierte sie alle Anwesenden, zog den Rucksack vom Rücken und holte die Spiegelreflexkamera heraus, die sie sich in der Redaktion geborgt hatte.
Sie sah sich um, suchte die beste Perspektive für ein Foto und stellte sich so nah an die Hecke, dass sie Zweige am Kopf und am Arm spürte. Während sie durch die Linse spähte und den Zeigefinger auf den Auslöser drückte, sah sie eine Bewegung am hinteren Ende des versperrten Durchgangs. Eine schwarze Gestalt schob sich in ihr Blickfeld, unverkennbar ein Scharfschütze, der langsam und im Ausfallschritt vor etwas zurückwich, das Gewehr dabei nach vorne ausgerichtet.
Ella spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Das Glück war zurück! Sie schoss ein Foto und noch eins, blieb so stehen und wartete ab. Dabei huschte ihr Blick zu den Kollegen, die von ihrer Position aus nicht sehen konnten, was sie sah. Es kostete sie Mühe, nicht zu grinsen.
Im Hintergrund schoben sich jetzt weitere drei Scharfschützen in die Kimmung. Ella machte ein Foto nach dem anderen und schickte Dankesgebete gen Himmel. Diese Aufnahmen waren erstklassig und würden ihren Artikel, der gespickt sein würde mit den internen Infos der SoKo Mahlstedt, wunderbar abrunden. Perfekt.
Das Glück allerdings meinte es heute wirklich sehr gut mit Ella, denn als sie beschloss, sich jetzt abzuwenden, damit die Kollegen nicht Lunte rochen, schob sich urplötzlich eine weitere Gestalt ins Blickfeld.
Ella vergaß, zu atmen und beinahe auch, den Auslöser zu drücken. Als sich ihr Zeigefinger endlich senkte, um das Foto des Tages zu schießen, brach jäh ein solcher Höllenlärm los, dass ihr die Kamera aus der Hand fiel. Das Objektiv splitterte.
Vor Ellas Augen sackte die misshandelte Gestalt in sich zusammen, umgeben von einer Korona aus spritzendem Blut.
*
Der siebzehnjährige Chester van Laan lehnte den Kopf rückwärts gegen die Wand und schloss die Augen. Eigentlich trainierte er wirklich gerne, und im Gegensatz zu einigen seiner Klassenkameraden machte es ihm nichts aus, sich am frühen Morgen auszupowern, aber heute war er nicht in Form. Sämtliche Standardgriffe hatte er versiebt, ganz zu schweigen davon, dass es sogar Werner, dem schlechtesten Kämpfer seines Jahrgangs, gelungen war, ihn auf die Matte zu werfen. Nach dieser Blamage hatte Chester den Lehrer darum gebeten, von der Unterrichtsstunde befreit zu werden.
In der Umkleidekabine roch es muffig. Blinzelnd öffnete er die Augen und ließ sie über die Garderoben wandern. Aus der Turnhalle, die ein Stockwerk tiefer lag, drang das Quietschen herauf, das entstand, wenn Sohlen über einen Gummiboden reiben. Er hörte ein Ächzen, kurz darauf ein Poltern. Jemand war zu Boden gegangen.
Kaum zu glauben, dass in einem halben Jahr alles vorbei sein würde. Dann hätte er den Abschluss in der Tasche und würde nach London ziehen, um dort zu studieren. Der Gedanke löste sowohl Vorfreude als auch Befangenheit aus, immerhin hatte er an dieser Schule sein halbes Leben verbracht.
Chester hob die rechte Hand und begann, die Lederriemen abzuwickeln. Eins nach dem anderen, sagte er sich, um die Gefühlsaufwallung abzuschütteln. Erst mal musste er den Abschluss überhaupt schaffen.
Nach dieser Stunde stand ihm Latein bevor. Die Lehrerin
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