Venus allein zu Haus
atemberaubend. »Siehst du, wie ich es gesagt habe«, platze ich damit heraus. »Das Kleid ist perfekt. Es gibt kein schöneres Brautkleid. Und nun habe ich es vergeudet für eine Hochzeit, die nicht stattfindet.« Mit größter Anstrengung halte ich mich davon ab, in Tränen auszubrechen.
»Hey«, sagt Bernd, der endlich seine Sprache wieder gefunden zu haben scheint, »das heißt doch nicht, dass du niemals heiraten wirst. Du findest schon wieder Jemanden. Trägst du eben dann das Kleid.« Das ist doch wieder typisch Mann.
»Bist du wahnsinnig geworden«, fahre ich ihn an, »ich kann doch nicht ein Kleid tragen, in dem ich eigentlich einen anderen heiraten wollte. Dieser Fetzen ist verflucht. Für immer!«
»Nein, das geht wirklich nicht«, pflichtet mir Jeannette kopfnickend bei. Dankbar blicke ich sie an, doch kann ich mich des leisen Zweifels nicht erwehren, dass ihre Beweggründe eher wirtschaftlicher denn spiritueller Natur sind.
»Ach so, hmm«, brummelt Bernd vor sich hin, »tja, also wenn das so ist …«
»Ja, so ist das«, bekräftige ich noch einmal und versuche, mir das Teufelswerk dramatisch vom Leib zu reißen. Bevor ich in meiner unbändigen Wut womöglich die Korsage mit bloßen Händen entzweireiße, kommt Jeannette mir
zu Hilfe und löst die Schnüre an meiner Rückseite. Wir verziehen uns wieder in die Garderobe und schließen den Vorhang, vor dem Bernd wie ein Tiger im Käfig auf und ab marschiert.
»Ach, weißt du, eigentlich ist das Kleid nicht so doll. Du findest noch ein Schöneres, wenn es so weit ist«, macht er einen lahmen Versuch, mich aufzubauen, aber das geht leider daneben. Nicht so doll. Von wegen. Drei volle Tage bin ich mit Lara durch die Gegend gezogen, bis wir endlich das richtige Kleid gefunden hatten. Und mit richtig meine ich richtig. Bei Klamotten mache ich keine Kompromisse. Und wenn es sein muss, dann gebe ich auch 1600 Euro für ein Brautkleid aus.
Minuten später stehe ich in meinem rosa Hosenanzug vor einer etwas hilflos blickenden Jeannette, die eine Wolke aus Organza über dem Arm trägt.
»Wollen Sie … es jetzt mitnehmen?« Tja. Gute Frage eigentlich. Normalerweise hätte das Kleid bis kurz vor der Hochzeit im Laden aufbewahrt werden sollen. Hier und da noch ein paar Änderungen. Aber jetzt? Was mache ich denn jetzt?
»Können Sie es nicht zurücknehmen«, fragt Bernd Jeannette mit einem Augenaufschlag, der auch weniger weiche Frauenherzen auf der Stelle zum Schmelzen bringen würde.
»Na ja, unter diesen Umständen ist das, denke ich, machbar«, nickt sie denn auch mit einem schmachtenden Lächeln.
»Na super«, sagt er und lächelt mir aufmunternd zu.
»Aber mehr als achtzig Prozent vom Kaufpreis kann ich Ihnen nicht erstatten«, sagt Jeannette, und ich wundere mich, wie das Kleid durch vier Wochen Lagerung in ihrem eigenen Laden für sie um zwanzig Prozent an Wert
verlieren kann. Ist mir auch egal. Gerade kommt nämlich eine junge Frau mit ungefähr meiner Statur in den Laden und blickt sich suchend um. Ich sehe sie freudestrahlend vor dem Traualtar. In einem champagnerfarbenen Traum aus Organza mit enger Korsage und langer Schleppe. Das geht auf keinen Fall. Das ist mein Kleid.
»Nein, danke«, sage ich schnell und entreiße Jeannette das Kleid geradezu, »ich möchte es eigentlich doch nicht zurückgeben.«
»Gut, dann eben fünfundachtzig Prozent«, sagt sie widerwillig. Die glaubt tatsächlich, es ginge mir um das Geld.
»Nein, darum geht es gar nicht. Ich möchte das Kleid behalten.« Da gucken sie, die beiden. Bernd erstaunt und Jeannette irgendwie enttäuscht. Logisch eigentlich. Da hätte sie ganz schnell mal eben dreihundertzwanzig Euro machen können. Und das Kleid hätte sie auch wieder. Aber nicht mit mir. »Packen Sie es mir bitte ein, ich nehme es jetzt mit«, sage ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.
Draußen auf der Straße läuft Bernd kopfschüttelnd neben mir her, während ich meine Beute in der riesigen Tragetasche hin und her schlenkere und richtig gute Laune habe. Durch seine verständnislose Miene fühle ich mich nun doch zu einer Erklärung genötigt.
»Ich will einfach nicht, dass eine andere mein Kleid trägt.« Ich merke selber, wie dämlich das klingt und setze daher hinzu: »Wo es doch verflucht ist.«
»Verstehe. Du willst also die Ehe einer dir völlig Fremden nicht gefährden.«
»Wer weiß? Es könnte Lara sein«, verteidige ich mich, obwohl das natürlich Blödsinn ist. Sie hat ihr Kleid doch
Weitere Kostenlose Bücher