Venus allein zu Haus
zu machen.
»Das finde ich echt toll, ehrlich«, sage ich lächelnd, aber meine Stimme zittert ein wenig. Michael legt mir beruhigend die Hand aufs Knie und sagt zu Nick:
»Helens Freund hat mit ihr Schluss gemacht, weil er jetzt auf Männer steht.« Oh Gott, wenn jemand anderes es ausspricht, klingt es noch viel grausamer. Mitfühlend sieht Nick mich an und sagt:
»Du armes Mäuschen.« Ich möchte lieber schnell das Thema wechseln.
»Was macht ihr eigentlich beruflich?«, frage ich betont munter, stoße meine Gabel in eine Garnele und betrachte sie genau.
»Ich habe die Därme entfernt«, sagt Nick leicht pikiert, woraufhin ich meine Untersuchung sofort beende und das Meerestier genussvoll verspeise.
»Hmmm«, mache ich, »lecker!« Nick verzeiht mir gnädig meinen Fehltritt und sagt:
»Ich bin Koch.« Hätte ich mir ja denken können.
»Das merkt man! Das Essen ist einfach toll! Und wo? Lass mich raten. Bestimmt im Atlantik. Oder im Vier Jahreszeiten?« Ich möchte meinen Fehler mit dem Garnelendarm unbedingt wieder gutmachen und trage deshalb vielleicht
sogar ein bisschen zu dick auf, aber Nick lächelt geschmeichelt und hebt abwehrend die Hände.
»Nein, nein, im Freudenhaus.« Na, da bleibt mir doch die Spucke weg.
»Ich schwöre, das ist mein Lieblingsrestaurant«, sage ich begeistert.
»Ach, das sagst du doch nur so.«
»Wirklich! Bei allem, was mir heilig ist. Das Essen ist so toll.« Für mich, die ich gerade mal so eben einen Gurkensalat hinbekomme, ist Nick jetzt schon ein Held.
»Und was machst du, Michael?«
»Ich bin Friseur«, antwortet er.
»Ach Quatsch«, entfährt es mir, woraufhin er grinst und sagt:
»Stimmt. Ich bin Werbetexter.«
Ich muss zugeben, ich hatte einen mehr als vergnüglichen Abend mit den beiden. So vergnüglich, dass ich mich für den folgenden Abend zur Ally-McBeal-Schlacht habe überreden lassen. In meiner verwaschenen Miss-Sixty-Jeans, den schwarzen Puma-Turnschuhen und einem überdimensionalen Sweatshirt stehe ich daher nur zwanzig Stunden später wieder bei den Jungs auf der Matte, eine Familienpackung Chips unterm Arm. Das ist mein Chill-Outfit. Jede Frau braucht so etwas. Gemütlich und doch hipp. Nick öffnet die Tür und umarmt mich zur Begrüßung:
»Hey, lange nicht gesehen!« Haha. »Wow, ist das dein Abi-Sweatshirt? Zeig mal!« Stolz drehe ich mich einmal um die eigene Achse. Immerhin ist das Ding über zehn Jahre alt. Eine Antiquität. ›Dreizehn Jahre offener Vollzug‹ steht auf dem Rücken. »Warst du auch so ein Moppelchen in der Schule wie ich oder warum passt du da
heute zweimal rein?« Ein Moppelchen? Nick? Ungläubig lasse ich meinen Blick über seinen durchtrainierten Körper wandern. Der weiß wohl um meine Vergangenheit und erlaubt sich einen grausamen Scherz. Aber er nickt eigentlich ziemlich glaubwürdig und sagt: »Ich weiß, kaum zu glauben!«
»Allerdings«, sage ich anerkennend und fühle mich ihm gleich noch verbundener. Deshalb raune ich ihm verstohlen mein gut gehütetes Geheimnis entgegen: »Mit sechzehn war ich noch so breit wie hoch.« Damit drücke ich Nick die Chips in die Hand. »So was rühre ich seitdem nicht mehr an.«
»Versuchung, dein Name ist Weib. Ja, denkst du vielleicht, ich?«, stöhnt er übertrieben, »Michael, guck mal, was Helen mitgebracht hat. Bitte befrei mich!« Da steckt Michael den Kopf durch die Küchentür und grinst breit.
»Helen, mach dich nicht unbeliebt. Nick ist auf Dauerdiät.«
»Schon vernommen«, sage ich zerknirscht.
»Und, bist du bereit für den Ally-McBeal-Marathon?«
»Und ob!«, sage ich begeistert. Ich folge den beiden ins Wohnzimmer, wo auf dem Couchtisch sämtliche Ally-Folgen auf DVD auf uns warten. Dazu ein gläserner Krug mit eisgekühlter Apfelschorle, Gemüsesticks mit Dip und eine riesige Schale Weintrauben. Nick legt die erste DVD ein, wir lassen uns zu dritt auf der Couch nieder und legen die Füße hoch. Dann richtet Michael feierlich die Fernbedienung auf den Fernseher.
»Lasset die Spiele beginnen!«
Immer wenn ich Ally gesehen habe, ist das Leben nicht mehr ganz so schlimm. Denn sie hat gewaltig einen an der Klatsche und ist trotzdem ein Fernsehstar geworden, nicht
wahr? Ja, mag sein, dass ich da jetzt etwas durcheinander bringe, aber die Hauptsache ist doch, dass ich mich für einen Augenblick getröstet fühle, oder etwa nicht? Und gestärkt genug, um am folgenden Morgen endlich in Angriff zu nehmen, wovor ich mich bisher erfolgreich gedrückt habe: die
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