Venus allein zu Haus
längst.
»Darf ich fragen, was dich diese gute Tat kostet?«
»Häh?«
»Das Kleid. Was hat es gekostet?«
»Geht dich gar nichts an.«
»Fünfhundert?« Ja klar.
»Tausendsechshundert. Was dagegen?«, frage ich schnippisch und beschleunige meinen Schritt. Ich höre lieber nicht so genau hin, was Bernd da murmelt von wegen »nicht ganz dicht« und »wieder zur Vernunft kommen« und »bei Ebay noch ein paar Hunderter rausschlagen«. Will ich gar nicht hören, beschließe ich und umklammere den Griff meiner Tragetasche. Meins!
5.
Nach dem unglückseligen Besuch im Brautmodengeschäft hat Bernd es sich zur Aufgabe gemacht, mich heute Abend aufzumuntern.
»Keine Widerrede, Helen«, hat er gesagt, »oder meinst du wirklich, dass ich dich jetzt mit diesem verfluchten Fetzen alleine lasse. Damit du dann den ganzen Abend heulend davorsitzt. Du kommst jetzt mit mir auf eine Party. Und das ist mein letztes Wort.« Nach vielem Geziere und Rumgejammere habe ich mich dann schließlich von ihm breitschlagen lassen. Dass das ein großer Fehler von mir war, merke ich in dem Augenblick, als ich die Wohnung von Simon, dem heutigen Geburtstagskind, betrete und mich
1. ungemein an Bernds WG erinnert fühlte,
2. einen deutlichen Marihuana-Geruch wahrnehme und
3. feststellen muss, dass ich in meiner dunkelroten eleganten Stoffhose mit der weißen Bluse total overdressed bin.
Und dabei ist besagte Hose doch mein absolutes Wohlfühlkleidungsstück. Von Wohlfühlen kann allerdings keine
Rede sein, wenn alle anderen aussehen, als kämen sie gerade aus dem Bett. Meine kunstvolle Hochsteckfrisur mit den das Gesicht umrahmenden Korkenzieherlocken, die mir noch vor einer knappen Stunde vor dem Spiegel Schreie des Entzückens über mein eigenes Konterfei entlockte, wirkt noch viel lächerlicher als meine Klamotten. Kaum einer der zerzauselten Köpfe um mich herum hat wohl heute Kamm oder Bürste gesehen. Nach einer Hose an einem Stück muss man mit der Lupe suchen. Mag ja im Moment total angesagt sein, ich finds trotzdem affig, sich eine kaputte Hose zu kaufen. Um es kurz zu machen, hier ist Grunge-Look in und ich damit megaout. Hätte ich mir ja eigentlich denken können.
»Danke für die Warnung«, habe ich Bernd giftig zugezischelt, doch er hat nur gelacht und seinen Arm um mich gelegt.
»Lenchen, weißt du, was das Schöne an meinen Freunden ist?« Gerade ziehe ich ein bisschen mein Näschen kraus, als ein Typ sich an uns vorbeidrängelt, der etwas auf dem Kopf hat, unter dem andere Leute höchstens ihre Klorollen verstecken würden.
»Hast du den gesehen«, sagt mein Blick, aber für so etwas ist Bernd nicht der richtige Ansprechpartner.
»Na, was denn?«, frage ich stattdessen herablassend.
»Dass sie jeden so sein lassen, wie er ist. Ohne ihn zu verurteilen. Ganz im Gegensatz zu deinen Freunden. Oder zu dir.« Mit Unschuldsmiene blinzele ich zu ihm hoch.
»Na hör mal! Bei mir darf jeder so sein, wie er ist! Schau dich doch zum Beispiel an.«
»Bei mir hast du deine Bemühungen doch nur aufgegeben, weil du wusstest, dass sie zwecklos sind.« Beleidigt schiebe ich ein bisschen die Unterlippe vor.
»Pah! Und was soll das überhaupt heißen, meine Freunde.
Willst du jetzt Lara beleidigen? Oder dich selbst«, fällt mir in diesem Moment schlagfertig ein, aber Bernd hat anscheinend gerade keine Lust zu diskutieren. Er sagt nur knapp:
»Ich rede doch von deinen Schickimicki-Möchtegern-Freunden«, und schiebt mich dann vor sich her in Richtung Gastgeber.
»Hey, ich bin Simon«, sagt der freundlich lächelnd und schüttelt mir die Hand, »schön, dass du mitgekommen bist.«
»Ich bin Helen. Alles Gute zum Geburtstag«, stammele ich. Simon ist der Typ mit dem Klodings auf dem Kopf und davon bin ich noch immer einigermaßen irritiert.
»Fühlt euch wie zu Hause«, sagt er herzlich und schon ist er wieder weg. Nur der gelbbraune Hut ist im Getümmel noch gut zu erkennen.
»Du bist unmöglich«, stellt Bernd fest und drückt mir ein Bier in die Hand.
»Ich habe doch gar nichts gemacht«, protestiere ich, »au ßerdem hätte ich gerne ein Wasser.«
»Du hast ihn nicht mal angesehen. Die ganze Zeit hast du auf seine Mütze gestarrt.«
»Schon«, winde ich mich, »aber sag doch mal ehrlich, sah die nicht genauso aus wie das Ding, wo man die Klorollen drunterpackt.«
»Das kann dir doch scheißegal sein.« Mann, hat der eine Laune. Man könnte meinen, er selbst hätte heute eintausendsechshundert Euro in den Wind
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