Venus allein zu Haus
solltest nicht so viel arbeiten. In deinem Zustand.«
»Ach, das war doch keine Arbeit«, winkt sie ab, »es macht mir Spaß, es hier ein bisschen gemütlich herzurichten. Wirklich. Ansonsten würde ich mich doch zu Tode langweilen den ganzen Tag.«
»Hm«, mache ich unbestimmt. Es passt mir nicht, dass meine Schwester hier die kostenlose Haushaltshilfe für Bernd und seine Mitbewohner spielt. Aber schließlich ist das nicht meine Sache.
»Was von Paul gehört?«, nehme ich das Gespräch wieder auf und sofort verdüstert sich ihr Gesicht. Sie starrt konzentriert in ihren Tee und sagt tonlos:
»Ja, am Telefon. Ich habe ihm gesagt, dass es vorbei ist und dass ich ausgezogen bin.«
»Und was hat er dazu gemeint?«
»Dass wir darüber reden, wenn er wieder zurück ist.« Autsch! Mitleidig lege ich meine Hand auf ihre. Dieser Vollidiot. Selbst das bewegt ihn nicht dazu, seine blöden Geschäfte hintenan zu stellen.
»Und wenn das Baby kommt? Würde er dann auch sagen: ›Ich schau’s mir an, wenn ich zurück bin‹«, frage ich empört.
»Tja, wahrscheinlich.« Die Arme! Sie tut mir schrecklich Leid. Ja, so Leid, dass ich beschließe, ein Opfer zu bringen:
»Hör zu, Jackie, warum ziehst du nicht zu Michael und Nick?«
»Aber wieso …«
»Ich weiß, für uns alle ist es dort auf Dauer natürlich zu eng, das stimmt schon, aber dort ist es besser für dich, glaub mir. Nick kocht die wunderbarsten, gesunden Sachen, das Bett, das sie für dich gekauft haben, ist wirklich traumhaft, und sie haben eine Putzhilfe, sodass du dich auch darum nicht kümmern musst. Und ich«, jetzt atme ich tief durch, denn das fällt mir schwer, »ich ziehe dann erst mal hier ein. Das ist schon okay, wenigstens bin ich nicht schwanger, und außerdem kenne ich Bernd und die anderen einfach besser als du. Deshalb komme ich auch sicher besser mit ihren Macken zurecht.« Puh! Jetzt ist es raus. Ganz kurz kommt mir der Gedanke, dass Bernd es möglicherweise falsch verstehen könnte, wenn ich jetzt bei ihm einziehe. Als ob ich es mir vielleicht anders überlegt hätte. Aber das muss ich eben dann klarstellen. Zunächst mal liegt mir das Wohl meiner Schwester am Herzen. Und das ihres Sohnes. Ich lächele sie an und fühle mich gut dabei, die opferbereite große Schwester zu sein. Aufmunternd nicke ich Jackie zu, doch sie schüttelt langsam den Kopf:
»Ich fühle mich hier wirklich wohl, Helen.« Wie bitte?
Wohler als bei Michael und Nick? Das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen. »Es ist alles wunderbar. Wie gesagt, ich habe gerne ein bisschen was zu tun. Außerdem kocht Bernd auch ziemlich gut. Ja, und ich habe selten besser geschlafen. Wirklich, ich möchte gerne hier bleiben.« Irritiert starre ich sie an. Reden wir wirklich von derselben Wohnung? Ich biete ihr an, in einer blitzblanken, wunderschönen Wohnung in Eppendorf mit zwei bezaubernden Mitbewohnern zu leben, und sie zieht dieses Loch vor? Und seit wann kann Bernd eigentlich kochen?
»Bitte, Jackie, sei doch vernünftig«, beginne ich auf sie einzureden, »du weißt doch nicht, wovon du redest. Ich habe hier doch selber schon mal auf der Couch geschlafen«, aber wirklich nur ein einziges Mal, »und ich hatte danach tagelang Rückenschmerzen …«
»Ich schlafe gar nicht auf der Couch«, beruhigt sie mich, »ich schlafe in Bernds Bett.«
»Wie bitte?« Ich schnappe nach Luft. Dieser Mistkerl! Ich mache Kleinholz aus ihm. In diesem Moment hören wir einen Schlüssel sich im Schloss herumdrehen und die Wohnungstür wird aufgestoßen. Sekunden später steht Bernd vor uns. Wenn man vom Teufel spricht, kommt er angerannt. Bitterböse starre ich ihn an.
»Ach, Helen, du bist auch hier, hallo«, sagt er freundlich grinsend, und dann: »Jackie, wie geht’s dir? Alles klar?« Er schaut sie mit einem besorgten Blick an und sie strahlt zu ihm hoch:
»Alles bestens, Bernd, wirklich! Aber hör mal, Helen hat mir gerade gesagt, dass die Couch, auf der du schläfst, doch total unbequem sein soll.«
»Ach was, Helen hat keine Ahnung«, antwortet er und lehnt sich lässig gegen die Spüle, »das geht schon so.«
»Wirklich? Da habe ich aber ein ganz schlechtes Gewissen!«
»Brauchst du nicht zu haben, wirklich. Hauptsache, ihr beide, du und der Knirps, seid weich gebettet.« Ach sooooo. Ich bin dermaßen erleichtert, dass ich Bernd fast so verklärt anlächele wie meine Schwester. Sie schläft in seinem Bett und er dafür auf der Couch. Wie nett von ihm. Und ich dachte
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