Venus allein zu Haus
Beunruhigung. Frühwehen können im letzten Drittel der Schwangerschaft schon mal vorkommen. Aber die Fruchtblase ist völlig intakt und der Muttermund noch geschlossen. Ich habe Ihrer Schwester ein Wehen hemmendes Mittel gespritzt und Sie können sie jetzt wieder mit nach Hause nehmen.«
Nach Hause? Und wo bitte schön soll das sein?
10.
Zuhause. Das ist für mich seit nunmehr drei Nächten die Couch in Michaels und Nicks Wohnzimmer. Auf meinem wundervollen Gästebett, das ich jetzt erst so richtig zu würdigen weiß, nächtigt meine schwangere Schwester. Die, im Gegensatz zu mir, natürlich nicht mal Miete zahlt. Männer sind ja so was von berechenbar. Kaum ist man ein bisschen schwanger, schon bekommt man alles, was man will. Ungerecht ist das. Mit schrecklichen Rückenschmerzen und noch schrecklicherer Laune sitze ich am Frühstückstisch. Am liebsten würde ich Jackie bei den Schultern packen und schütteln und sie endlich wieder zur Vernunft bringen. Da aber meine Vermieter mit am Tisch sitzen, die Jackie seit ihrer Ankunft in Watte packen, muss ich es etwas geschickter anstellen.
»Wie hast du denn geschlafen, Jackie«, frage ich deshalb freundlich.
»Blendend, danke.«
»Keine Anzeichen von Wehen?«
»Nein, nichts.«
»Na, das ist ja schön.« So komme ich irgendwie nicht
weiter. »Aber das Bett ist doch nicht so richtig bequem, oder?«
»Das geht schon, danke.« Was ist bloß mit meiner Schwester los? Da kommt mir Michael zur Hilfe:
»Also, ich habe auch ein schlechtes Gefühl, wenn du da auf dieser schäbigen Matratze schläfst. Da geht doch ständig die Luft raus. Und das in deinem Zustand.«
»Eben«, nicke ich, »in deinem Zustand.« Raus mit ihr!
»Das ist doch die Gelegenheit für uns, endlich ein anständiges Gästebett zu kaufen«, schlägt Nick da vor, »wollten wir doch sowieso endlich mal machen.« Ach so ist das? Ich bemühe mich, nicht allzu beleidigt zu sein, dass die Tatsache, dass ich ja nun schon auch die eine oder andere Nacht auf dieser schäbigen Matratze genächtigt habe, die beiden nicht mal annähernd zum Kauf eines Gästebettes motiviert hat. Immer wird Jackie überall vorgezogen. Manno!
»Dies hier hat nichts mit deiner Familie zu tun. Oder deiner Kindheit«, erinnert mich Sophia mit gütiger Stimme.
»Das ist wirklich nicht nötig«, wehrt Jackie zu meinem großen Erstaunen das Angebot ab. Aber wenn die beiden sich mal was in den Kopf gesetzt haben, dann ziehen sie das auch durch, und eine halbe Stunde später machen sich meine drei Mitbewohner auf den Weg zu Ikea, um der Prinzessin mit der Riesenerbse unter der Bauchdecke eine angemessene Schlafstätte zu besorgen.
Ich liege wie auf Wolken. Himmlisch. Michael und Nick haben sich nicht lumpen lassen. Mit eben diesem weiß lackierten Bettgestell mit dem verschnörkelten Kopfende habe ich schon geliebäugelt, seit es das erste Mal im Ikea-Katalog aufgetaucht ist. Auch an der Matratze wurde
nicht gespart. Während viele Leute, die ich kenne, denken, für Gäste sei doch eine Schaumstoffunterlage durchaus ausreichend, geben sich meine lieben Freunde nicht einmal mit Federkern zufrieden. Nein! Feinstes Latex passt sich meinem Körper an. Hier werde ich garantiert keine Rückenschmerzen bekommen. Vervollständigt wird der Traum durch das Moskitonetz, das über meinem Kopf im Luftzug, der durch das geöffnete Fenster hereinkommt, sanft hin und her schaukelt. Ich seufze wohlig und bin noch nicht einmal pikiert darüber, dass dieses wunderschöne Nachtlager ursprünglich für meine Schwester angeschafft wurde. Die Hauptsache ist doch, dass ich jetzt darin liege und nicht sie. Grinsend stelle ich mir vor, wie sie sich jetzt auf dem klumpigen Sofa in Bernds WG herumwälzt und keinen Schlaf findet. Aber sie wollte es ja so. Weiß der Geier warum. Und es ist nicht so, dass ich sie nicht gewarnt hätte. Obwohl ich selbst natürlich aus dieser neuen Wohnlösung nur als Sieger hervorgehen konnte, denn:
1. bin ich meine Schwester wieder los,
2. gehört mir wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit von Michael und Nick und
3. habe ich jetzt das schöne Bett!
Dennoch, als Bernd Jackie seinen Vorschlag unterbreitet hat, musste ich doch erst mal schallend lachen. Und ehrlich gesagt könnte ich mir vorstellen, dass das doch maßgeblich zu ihrer Entscheidung beigetragen hat.
»Jackie«, habe ich gesagt, »glaub mir, diese WG ist nichts für dich. Lass mich offen reden: Du bist nicht nur schwanger, sondern auch total verwöhnt. Du wirst
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