Venus allein zu Haus
schon, er würde sich an sie ranmachen. Ihre Verletzlichkeit in dieser Situation – schwanger und allein – schamlos ausnützen.
»Wie kommst du bloß auf so was«, fragt Sophia kopfschüttelnd. Das würde ich allerdings auch gerne wissen. Muss ich denn immer von allen nur das Schlimmste annehmen? Das ist nicht schön, denke ich reumütig.
»Möchtet ihr was essen«, erkundigt sich Bernd, und ich antworte, auch um meinen Fauxpas von eben wieder gutzumachen:
»Ich hab gedacht, ich lade euch beide zum Essen ein, habt ihr Lust?«
»Hast wohl Angst, dass meine bescheidenen Kochkünste deinen Ansprüchen nicht genügen, was?«, neckt Bernd mich, was ich natürlich weit von mir weise:
»Nein, überhaupt nicht. Jackie hat mir gerade schon erzählt, wie toll du sie bekochst.« Ich klinge wie ein eifersüchtiges kleines Mädchen. Schrecklich. »Nein, ich dachte einfach nur. Wenn du natürlich lieber selber kochst, esse ich gerne mit.« Grinsend warte ich ab, dass er jetzt kneift und dankbar meine Einladung annimmt, aber da habe ich mich schon wieder getäuscht.
»Ach, hier ist es doch viel gemütlicher.« Gemütlich? Ich weiß ja nicht. Bernd ignoriert meinen zweifelnden Blick und wendet sich an Jackie: »Dann gibt’s ne schlichte Nudel mit Gorgonzolasauce, einverstanden?«
»Super«, schnurrt sie und schon macht er sich an den Töpfen im Schrank zu schaffen.
»Ja, toll«, gebe ich auch noch mein Einverständnis, obwohl mich ja gar keiner gefragt hat.
Eine knappe halbe Stunde später sitzen wir zu dritt um den Couchtisch herum, jeder einen Teller mit dampfenden Nudeln vor sich.
»Hmm«, schwärmt Jackie nach dem ersten Bissen, »das schmeckt großartig.« Ich selber spieße auch einige Schmetterlingsnudeln auf meine Gabel und führe sie zum Mund, wobei ich mich verstohlen umsehe. Auch das Wohnzimmer hat sich nämlich ziemlich verändert. Zunächst mal ist es sauber und aufgeräumt. Außerdem hängen Bilder an der Wand und stehen überall Kerzenständer und Teelichter herum, die den Raum in ein warmes Licht tauchen. Die Wand mir gegenüber ist komplett mit einem dunkelroten Stoff verkleidet, in dem mit Sicherheitsnadeln schwarzweiße Postkarten befestigt wurden. Dadurch ist der Wasserschaden nicht mehr zu sehen, der sich hier vor über einem Jahr ereignet und der die Wand ziemlich verunstaltet hat. Alle Achtung! Das alles entspricht zwar nicht unbedingt meinem Geschmack, aber zumindest ist es ganz hübsch und gemütlich jetzt. Ich kaue auf den Nudeln herum und denke gleich noch mal: alle Achtung.
»Wow, die sind echt gut«, lobe ich Bernd.
»Erstaunlich, nicht wahr?«
»Nein, gar nicht«, lüge ich, »habe ich immer schon gewusst, dass du viele Talente hast.«
»Da schlummern noch ganz andere, die ich dir gerne vorführen würde, wenn du mich lässt«, sagt er und grinst mich an. Irritiert wende ich mich ab. Das fühlt sich wirklich
absurd an, wenn einen der beste Freund so dämlich von der Seite anbaggert.
»Das Wohnzimmer sieht toll aus«, wechsle ich daher rasch das Thema, »hast du das alles alleine gemacht, Jackie?«
»Ach, das war gar nichts«, winkt sie ab, »außerdem habe ich fast nur delegiert und Bernd hat das meiste gemacht.« Ach? Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an:
»Auf die Idee wärest du doch vorher nicht gekommen.«
»Du weißt doch, ich mache mir nicht so viel aus Äußerlichkeiten. Aber wenn jetzt ne Frau hier wohnt …«
»Vorübergehend«, werfe ich ein.
»… dann darf es doch ruhig ein bisschen nett aussehen. Habe ich nichts gegen. Und wir sind echt ein gutes Team.«
»Ja, das sind wir«, bekräftigt meine Schwester und lacht ihn fröhlich an. Ihre Augen strahlen mir dabei etwas zu sehr. Beunruhigt sehe ich von einem zum anderen. Dann essen wir schweigend unsere Nudeln zu Ende.
Eine Stunde später mache ich mich bereit zum Aufbruch, aber irgendwie fällt es mir schwer, zu gehen. Es fühlt sich komisch an, die Treppe hinunterzusteigen, während die beiden da so einträchtig nebeneinander in der Tür stehen und mir lächelnd hinterhersehen. Als ich mich umsehe, um noch mal zu winken, sehe ich gerade noch, wie Bernd die Tür zumacht, während Jackie schon wieder beginnt, auf ihn einzureden. Es versetzt mir einen Stich. Sie scheinen sich gut zu verstehen. Und plötzlich habe ich Angst, dass die beiden vielleicht zu gute Freunde werden. Beste Freunde. Und was ist dann mit mir?
Am folgenden Tag werde ich um halb sieben Uhr morgens vom Klingeln meines Handys aus
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