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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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dem Schlaf gerissen. Völlig verwirrt haue ich erst mal auf meinem Wecker herum, bevor ich kapiere, woher das andauernde Piepen kommt. Um diese Zeit? Wer kann mich da denn anrufen? Und in diesem Moment ist es mir völlig klar. Jackie! Das Baby kommt, vielleicht ist es sogar schon auf der Welt. Aber es ist doch noch viel zu früh, mindestens vier Wochen zu früh.
    »Ist das Baby da«, schreie ich fast in den Hörer, als ich endlich das verdammte Telefon aus meiner Handtasche herausgefummelt habe.
    »Oh mein Gott, ist es«, erwidert eine mir bekannt vorkommende Männerstimme.
    »Wer ist denn da«, will ich erst mal wissen. Da kann ja jeder kommen.
    »Hier ist Paul, Helen. Was ist mit Georgie?« Georgie?
    »Das müsstest du ja wohl besser wissen als ich«, versetze ich unfreundlich, »das heißt, wenn du ein verantwortungsbewusster Vater und Ehemann wärest, was du, wie wir ja alle wissen, nicht bist.«
    »Was ist denn bloß los?«, fragt er in weinerlichem Ton. »Ich komme heute Morgen von einer anstrengenden Geschäftsreise zurück, habe im Nachtzug kaum geschlafen und finde das Haus leer, meine Frau ist weg, und jetzt werde ich von dir auch noch beschimpft. Und das so früh am Morgen.« Ich schnappe hörbar nach Luft.
    »Wenn du so früh am Morgen nicht beschimpft werden willst, dann ruf halt später an.«
    »Ich muss wissen, wo Jackie ist. Und mein Sohn.«
    »Sie sind bei einem Freund und es geht ihnen gut. Mehr kann ich dir nicht sagen«, will ich das Gespräch beenden, doch er schreit so laut »Warte« ins Telefon, dass ich es dann doch nicht über mich bringe.

    »Bitte, Helen, bitte sag mir, wo sie ist«, fleht Paul ganz untypisch ins Telefon, »ich muss sie zurückholen.« Na schön. Versuchen kann er es ja zumindest. Ich bin auch gar nicht ganz sicher, ob Jackie nicht vielleicht sogar gerne zurückgeholt werden würde. Wenn er sich ordentlich ins Zeug legt, vielleicht. Und wenn nicht, dann hat sie so wenigstens die Gelegenheit, ihm noch mal ins Gesicht zu sagen, was für ein Blödmann er doch ist. Denn er ist ein Blödmann. Aber immerhin der Vater meines Neffen, das wollen wir ja hier nicht völlig vergessen.
    »Also schön«, seufze ich, »sie ist in der Kastanienallee 36, das ist auf der Reeperbahn.« Ich höre, wie Paul scharf die Luft einzieht. »Hey, tauch da …« Tut – tut – tut. »…bloß nicht um diese Uhrzeit auf«, beende ich meinen Satz sinnloserweise. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Seufzend wähle ich Jackies Handynummer. Ich möchte sie wenigstens vorwarnen, dass gleich ihr besorgter Ehemann auf der Matte stehen wird, aber dummerweise geht gleich die Mailbox dran. Das Gleiche bei Bernd. »Mist«, fluche ich und wälze mich aus dem Bett. Was sind das für Menschen, die ihr Handy über Nacht ausschalten? Haben die keine Angst, eventuell irgendwas ganz Wichtiges zu verpassen? Ich könnte das nie!
     
    Ich erreiche tatsächlich noch vor Paul die Wohnung und bekomme deshalb natürlich auch die geballte Ladung Unwillen sämtlicher in ihrem Schönheitsschlaf gestörten Bewohner ab.
    »Helen, hast du nen Knall«, fragt Bernd mich uncharmant, als ich keuchend die Treppe hochkomme. Er trägt nur eine schlabberige Boxershorts, die wohl einmal rot war, aber vom vielen Waschen beinahe alle Farbe verloren hat. Ja, wozu habe ich denn die schicken neuen Unterhosen
gekauft? Und der Pelz auf der Brust sprießt auch schon wieder fröhlich vor sich hin, aber ich habe jetzt keine Zeit, daran herumzunörgeln. Stattdessen haste ich an ihm vorbei und frage:
    »Ist er schon hier? Wo ist sie?«
    »Wer soll hier sein? Und wen meinst du? Jackie?«
    »Natürlich Jackie. Und Paul. Paul taucht gleich hier auf«, erkläre ich knapp.
    »Was’n für’n Paul?«
    »Was ist mit Paul«, ertönt es von Bernds Zimmertür und da steht Jackie, mit verstrubbelten Haaren und in einem riesigen Schlafshirt.
    »Er ist auf dem Weg hierher, um dich zurückzuholen«, sage ich eindringlich und gehe meiner Schwester entgegen.
    »Und darum machst du so’n Radau und weckst uns«, kommt es verwundert aus Bernds Richtung. Ich fahre zu ihm herum und sage gereizt:
    »Er hätte euch gleich sowieso geweckt.«
    »Trotzdem, ich versteh nicht ganz, warum du jetzt hier bist und die Pferde scheu machst.«
    »Sie muss immer überall dabei sein. Sonst fürchtet sie, die Kontrolle zu verlieren«, lamentiert Sophia, die im Türrahmen stehen geblieben ist und jetzt scheinbar gelangweilt auf ihre Fingernägel blickt. Ich merke, wie mir das Blut in den

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