Venus allein zu Haus
er schaut ihr verliebt hinterher. Ich seufze leise. Muss Liebe schön sein.
Unten vor der Haustür verteilen wir uns auf zwei Autos und düsen in Richtung Reeperbahn davon. Gerade noch rechtzeitig, denn im Rückspiegel entdecke ich schon Manuels besten Freund Gordon, der eben um die Ecke biegt. Das war knapp. Was trägt er denn da unter dem Arm? Sieht aus wie eine Gummipuppe.
»Vorsicht, Helen«, kreischt Andrea, und gerade noch rechtzeitig reiße ich das Steuer rum, bevor ich auf den Bürgersteig und in den dort stehenden Fahrradständer hineinrase. Puh, das war knapp.
»Wo warst du denn mit deinen Gedanken«, fragt Nina vorwurfsvoll, aber meine Entdeckung kann ich jetzt leider nicht mit ihr teilen. Schließlich soll Lara ja denken, dass Manuel den ganzen Abend brav zu Hause sitzt und sie vermisst. Auf der Reeperbahn angekommen genehmigen wir uns zunächst mal einen Drink im Rokko. Und damit beginnt Laras erste Aufgabe. Sie muss in jedem Laden entweder den Barbesitzer oder einen Gast dazu bringen, uns Mädels eine Runde auszugeben. So umwerfend, wie sie aussieht, wird das sicher kein Problem sein, dennoch ziert Lara sich gewaltig. Nun ja, nach ein paar Drinks wird ihre Hemmschwelle sicher sinken. Der Besitzer vom Rokko lässt sich nicht lange bitten. Wenige Minuten später stehen neun Cocktails vor uns. Sicher denkt der arme Kerl, dass wir den gesamten Abend bei ihm verbringen und noch eine Menge Kohle hier lassen werden. Zu seinem Pech irrt er sich gewaltig.
»Wir machen eine Schnitzeljagd über die Reeperbahn«, verkünde ich, während wir unsere Drinks schlürfen, »und in jeder Bar bekommst du einen dieser Umschläge«, ich zaubere ein rosafarbenes Kuvert aus meiner Tasche, »in dem sich ein Hinweis auf die nächste Destination befindet.« Gerade noch rechtzeitig kann ich meine Hand zurückziehen, als Lara vorwitzig danach greift. »Nicht so hastig, meine Liebe, den musst du dir natürlich verdienen.«
»Wieso, ich hab doch für die Getränke gesorgt«, kräht sie und schlürft mit dem Strohhalm den letzten Rest aus ihrem Glas.
»Trotzdem, du wirst leider noch eine weitere Aufgabe
erfüllen müssen. Wie die Prinzessin aus dem Märchen«, erläutere ich und hole eine Schere hervor.
»Ich dachte, das macht der Prinz, um die Prinzessin als Belohnung zu bekommen«, mosert sie kleinkariert.
»Du bist eben eine emanzipierte Adelige«, bestimme ich, »und außerdem«, füge ich, um sie zu trösten, hinzu, »besitzt du ein Zepter. Wenn du das schwingst und dazu die Worte sprichst ›Ich möchte unterhalten werden‹, dann wird einer deiner Untertanen dir zu Ehren einen kleinen Beitrag bringen.«
»Ich möchte unterhalten werden«, ruft Lara natürlich sofort und schwingt triumphierend ihren Zauberstab, »und zwar von … dir!« Die obere Spitze des Sterns zeigt auf Sonja, die ein langes Gesicht zieht, aber gehorsam aufsteht und beginnt, mit erhobener Stimme ein selbst verfasstes Gedicht zu rezitieren.
»Hört ihr Leute, groß und klein,
die Lara ist nicht mehr lange allein.
Sie hat den Märchenprinz gefunden,
und nach vielen gemeinsamen Stunden,
beschlossen, dass er der Richtige wär,
ab nächste Woche gibt’s kein Umkehren mehr.«
Wir prusten laut los.
»Pssst, ich bin doch noch nicht fertig. Also:
Sie werden sich das Ja-Wort geben,
um gemeinsam zu gehen durchs Leben.
Heut feiern wir noch mal allein,
wird hoffentlich nicht das letzte Mal sein.
Wir wünschen ihr von Herzen,
nur Glück und keine Schmerzen.
Er soll dich glücklich machen,
und immer bringen zum Lachen.
Ich erheb auf euch das Glas
und das war’s!«
Wir schütten uns aus vor Lachen und Lara hebt erneut den Zauberstab:
»Ich möchte unter …«, aber da greife ich sie beim Arm und sage:
»Süße, spar dir das doch auf für später, meinst du nicht?« Sie erwägt den Vorschlag kurz mit wiegendem Kopf, um ihn dann gnädig abzunicken:
»Na gut!«
»Hier«, sage ich und drücke ihr die Schere in die Hand, damit gehst du jetzt zu den Männern hier in der Kneipe und …«
»Und was soll ich ihnen damit abschneiden«, kichert sie. Der Drink scheint ziemlich stark gewesen zu sein. Ich entscheide, dass wir uns ab jetzt auf Sekt beschränken, damit Lara nicht in zwei Stunden unterm Tisch liegt.
»Einen Schnipsel von ihrer Hose. Für fünf Schnipsel gibt es einen Umschlag. Dann mal los«, fordere ich sie auf und sie macht sich sofort auf den Weg. Da es erst halb zehn ist, ist das Rokko noch nicht allzu gut besucht, aber dennoch
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