Venus allein zu Haus
kommt Lara nur zehn Minuten später mit fünf Stofffetzen zurück an unseren Tisch. Verwundert starre ich darauf. Als ich mir diese Idee aus dem Internet gesucht habe, stand dort, dass man die Männer bittet, ihnen die Schnipsel mit der Waschanleitung aus der Hose schneiden zu dürfen. Das hier sieht aber ganz anders aus. In diesem Moment kommt eine Gruppe von Männern an unserem Tisch vorbei und strebt Richtung Ausgang. Zwei von ihnen haben unübersehbare Löcher am Knie, bei zwei anderen ist das
linke Hosenbein kürzer als das rechte und der Mutigste von ihnen stolziert mit einer entblößten Pobacke durch die Tür. Lara winkt ihnen lachend hinterher und ruft: »Ihr ward klasse, danke, Jungs!«
»Keine Ursache, Süße!«, kommt es zurück und der eine sagt so laut, dass wir alle es hören können zu seinem Kumpel: »Ein Jammer, dass sie heiratet, oder?«
»Das kannst du laut sagen.« Ich betrachte Lara bewundernd, während sie den gewonnenen Briefumschlag aufreißt. Wie macht sie das bloß?
»Das nächste Ziel ist gleich ums Eck, vom Namen her jedoch viel weiter weg«, liest sie vor und grinst mich an.
»Ich habe nie behauptet, dass ich besser dichten kann als Sonja«, verteidige ich mich, »lies weiter.«
»Zur Begrüßung sagt man da: Willkommen, Lala.« Statt nachzudenken flucht sie los: »Das ist nicht fair. Ich habe fünf Männern ihre Hosen kaputtgeschnitten und jetzt muss ich auch noch das Rätsel lösen.«
»Jetzt denk doch mal nach, einfacher geht’s doch gar nicht«, rüge ich, da schlägt sie sich mit der flachen Hand auf die Stirn und ruft: »Ich Esel, die China-Lounge natürlich.« Wir spenden großzügigen Beifall und machen uns auf den Weg. Etwas konsterniert blickt uns Martin von hinter dem Tresen hinterher, aber ich zucke nur bedauernd mit den Schultern und winke ihm fröhlich zu.
Mittlerweile ist die Reeperbahn zum Leben erwacht. Die eben noch recht leeren Bürgersteige sind mit Menschen angefüllt, und immer wieder treffen wir andere Grüppchen, die ebenfalls Junggesellinnenabschiede feiern. Aber so bezaubernd wie Lara sieht keine von ihnen aus. Als wir um zwei Uhr nachts alle schon reichlich angetrunken, aber guter Dinge, aus dem Silbersack torkeln, kommt uns
eine grölende Gruppe von Männern entgegen, die augenscheinlich ebenfalls einen Junggesellenabschied feiern. Und als sie sich uns nähern, erkenne ich auch, um wen es sich bei dem Unglücksraben in ihrer Mitte handelt, der einem in seinem hellblauen Ballettröckchen und mit der nur mit einer Strickjacke bekleideten Gummipuppe unter dem Arm wirklich Leid tun kann: Manuel. Kaum wird er seiner zukünftigen Frau ansichtig, löst er sich von seinen Freunden und rennt auf uns zu. Sein Gesicht ist mit roten Lippenstiftabdrücken übersäht.
»Lara, sie lassen mich Küsse verkaufen, aber ich kann nichts dafür.«
»Weiß ich doch«, tröstet sie ihn unbekümmert.
»Aber du hast niemanden geküsst«, vergewissert er sich. Hey, glaubt der etwa, ich spinn ihm was vor?
»Nein«, beteuert Lara, »natürlich nicht.«
»Da bin ich aber froh.«
»Aber ich habe einem Mann seinen Hosenboden weggeschnitten, siehst du?«, erzählt sie stolz und kramt das entsprechende Stück Stoff hervor.
»Aha, hm, toll«, meint Manuel wenig begeistert und wirft mir einen strafenden Blick zu. Das ist der Zeitpunkt, die beiden zu trennen.
»So, wir müssen weiter«, bestimme ich und schiebe mich dazwischen, »eigentlich solltet ihr euch gar nicht begegnen.«
»Moment«, protestiert Manuel da vehement, »ich brauche von jeder von euch ein Kleidungsstück. Ich werde diese verfluchte Puppe erst los, wenn sie komplett bekleidet ist. Und Schatz, ich kann keine fremde Frau nach ihrer Unterwäsche fragen. Ich kann einfach nicht.«
»Natürlich nicht«, findet auch Lara und verschwindet im Silbersack. Wenige Minuten später, während derer
Manuel Patricia ihren Rock, den sie über ihrer Jeans trägt, und Andrea ihre Strümpfe abgeschwatzt hat, kommt sie wieder heraus und reicht ihm ihren fliederfarbenen Slip nebst passendem BH.
»Danke, Lara, tausend Dank«, sagt er erleichtert und beginnt, »Betty« anzukleiden. Seine Freunde betrachten es wenig begeistert.
»So hatten wir aber eigentlich nicht gewettet«, protestiert Gordon und die anderen nicken zustimmend.
»Tja, auf meine Frau kann ich mich eben verlassen«, sagt Manu stolz und Lara nickt dazu.
»Ihr seid echt wie Pech und Schwefel«, meint Angela, als wir unseren Weg fortsetzen.
»Können wir denn
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