Venus allein zu Haus
nicht alle zusammen weitergehen?«, quengelt Lara.
»Aber du kannst deinen Junggesellinnenabschied nicht mit deinem Mann zusammen feiern, das geht doch nicht«, versuche ich sie zu überzeugen, aber so recht gelingen will es mir nicht.
»Warum denn nicht? Ich vermisse ihn doch so.«
»Ach, Süße, hast du denn keinen Spaß mit uns?«, frage ich sie, während wir die Thai-Karaoke-Bar, die nächste und letzte Station unseres Abends, betreten.
»Doch schon, aber gerade deshalb finde ich es ja so schade, dass er das nicht mitbekommt.«
»Er hat sicher auch Spaß mit den Jungs.«
»Zusammen wäre es aber doppelter Spaß«, beharrt sie.
»Ich gehe mal kurz aufs Klo«, entschuldige ich mich und verschwinde, um Gordon eine SMS zu schreiben. Wenn Lara es in Gottes Namen nun einmal so haben möchte, von mir aus. Wenige Minuten später komme ich zurück an den Tisch, wo schon eine Runde Sekt auf uns
wartet. Ich lächle Lara an, aber sie guckt irgendwie ganz komisch. Wahrscheinlich ist sie sauer auf mich. Na ja, die wird Augen machen, wenn die Jungs gleich hier auftauchen. Da hebt sie plötzlich das Zepter, zeigt damit auf mich und ruft:
»Ich will unterhalten werden. Jetzt und hier!« Aber ich lasse mich in aller Seelenruhe auf der Bank neben ihr nieder und sage:
»Ich habe leider kein Unterhaltungsprogramm für dich, sorry. Ich hatte zu viel zu organisieren für heute Abend, das verstehst du doch, oder? Diana hat auch noch nichts vorgetragen«, schlage ich vor. Aber Lara lässt sich nicht abspeisen.
»Nein, ich möchte, dass du mich unterhältst. Und du brauchst auch nichts vorbereitet zu haben. Ich wünsche mir »I will survive« von dir«, verkündet sie und macht eine aufmunternde Kopfbewegung in Richtung Bühne. Ich kann spüren, wie sämtliches Blut aus meinem Kopf hinunter in meine Füße sackt. Was? Ich soll singen? Vor anderen Leuten?
»Das kann nicht dein Ernst sein«, flehe ich sie an, aber sie lässt sich nicht erweichen.
»Ich will unterhalten werden«, bekräftigt sie noch mal und klopft mit dem Zepter energisch auf den Tisch, »ich vermisse meinen Mann und deshalb will ich jetzt sofort unterhalten werden. Ich will unterhalten werden!«
»Ist ja gut«, zischele ich, weil die Leute von den anderen Tischen durch ihr Geschrei schon aufmerksam geworden sind und neugierig zu uns herübergucken. »Schon gut, ich mach’s ja.« Mit Füßen schwer wie Blei gehe ich hinüber zum DJ und sage ihm, dass ich für meine Freundin, die nächste Woche heiraten wird, »I will survive« singen möchte, wobei von wollen hier eigentlich nicht die Rede
sein kann. Wütend nehme ich das Mikro in Empfang und stapfe auf die Bühne. Da tue ich alles, um meiner besten Freundin einen tollen Junggesellinnenabschied zu bescheren, und was ist der Dank? Die ersten Takte schallen aus den Lautsprecherboxen. Mein Hals fühlt sich total trocken an und mein Herz pumpert wie verrückt. Ich öffne den Mund und beginne:
»At first I was afraid,
I was petrified«, meine Stimme klingt total belegt und krächzig,
»Kept thinking I could never live
without you by my side«, und außerdem fürchte ich, dass ich kaum einen Ton richtig treffe,
»But then I spend so many nights
thinking how you did me wrong
and I grew strong«, die Mädels an meinem Tisch grölen begeistert, die übrigen Gäste machen eher gequälte Gesichter, so wie ich. Aber ich singe weiter, sofern man mein Gejaule überhaupt so nennen kann, und in dem Moment geht die Tür auf und Manuel und seine Freunde kommen hereinspaziert. Verwundert bleiben sie stehen und schauen sich verwundert um, wer hier einen solchen Krach macht.
»Go on now, go!
Walk out the door,
just turn around now«, gröle ich ihnen entgegen, da entdeckt Lara das Grüppchen und läuft auf sie zu. Während ich meine Stimme in immer schrillere Höhen schwinge, beobachte ich, wie die beiden miteinander reden und wie Manuel erst auf Gordon und dann auf mich zeigt. Lara sieht zu mir herüber und in ihrem Blick ist plötzlich tiefe Reue zu erkennen. Aber merkwürdig, mir macht es plötzlich gar nichts mehr aus, hier stehen und singen zu müssen. Denn eben ist Jan vor meinem inneren Auge aufgetaucht.
Jan, an den ich mich in den letzten Monaten gezwungen habe, nicht zu denken. Jetzt denke ich an ihn. Es tut weh, aber:
»Did you think I’d lay down and die?
Oh no, not I. I will survive!«, singe ich inbrünstig, als Lara mit wehendem Schleier auf mich zustürmt und auf die Bühne kraxelt, im Vorbeigehen das
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