Venus allein zu Haus
sagt?«, frage ich angespannt. Langsam öffnet sich sein linkes Auge.
»Keine Sorge, ich habe verstanden, dass du Nein meinst. In Bezug auf mich.« Damit klappt er das Auge wieder zu und dreht sich auf die andere Seite. Ich blicke auf seinen Rücken und warte. Nichts passiert. Das wollte ich doch gar nicht damit sagen, manno, er hat das falsch verstanden.
»Doch, genau das wolltest du wissen«, sagt Sophia, die sich an seinem Fußende niedergelassen hat. »Und du bist unglaublich froh, dass er es verstanden hat, ohne dass du es noch mal aussprechen musstest. Aber seine Verletzung spürst du trotzdem und damit kannst du jetzt nicht umgehen. So einfach ist das.« Und ohne mir noch weitere Erklärungen abzuliefern oder mir auch nur hilfreich zur Seite zu stehen, löst sie sich mit einem sanften ›Puff‹ in Luft auf. Ich lege eine Hand auf Bernds Rücken und flüstere:
»Es tut mir Leid.«
»Schon gut«, kommt es leise zurück.
»Nein, es ist nicht gut. Es tut mir wirklich Leid«, wiederhole ich.
»So was kann man eben nicht erzwingen.«
»Bist du trotzdem noch mein Freund?« Langsam dreht er sich zu mir um und ich schaue ihm ängstlich in die Augen. Das ist meine größte Befürchtung. Dass er nicht mehr mein Freund sein will. Dass ich durch meine nicht existenten Gefühle ihm gegenüber das Wertvollste und Beständigste in meinem Leben kaputtgemacht habe. Aber er lächelt mich an und sagt:
»Natürlich bin ich noch dein Freund, Lenchen. Das werde ich immer sein.« Ich bin so erleichtert, dass mir jetzt die Tränen unaufhaltsam die Wangen herunterkullern. »Jetzt hör doch auf zu heulen. Komm her, du bist doch bestimmt auch völlig übermüdet.« Damit hebt er einladend die schmuddelig-gelb-grüne Bettdecke hoch und ich krabbele zu ihm aufs Sofa. Er umfängt mich von hinten mit seinen Armen und ich atme befreit auf. Er hat mich immer noch lieb. Gott sei Dank. »Wie sollte das auch funktionieren mit uns beiden? Du hast schließlich immer nur Pech mit den Männern. Und mit mir hättest du plötzlich so viel Glück gehabt. Nein, das erträgt dein Karma einfach nicht.« Er lacht leise in sich hinein, als ich ihm meinen Ellenbogen in die Rippen boxe. Dann liegen wir schweigend da und hören plötzlich die lauter werdenden Stimmen aus dem Nachbarzimmer:
»Du willst also wirklich hier bleiben«, fragt Paul wütend und Jackie kreischt:
»Allerdings.«
»In diesem Loch? Und in dieser Gegend?«
»Die besten Menschen wohnen nicht unbedingt in Blankenese.«
»Das vielleicht nicht, aber hast du dir deinen so genannten Mitbewohner schon mal angeguckt? Diesen … Zeckenzüchter?«
»Wag es nicht, Bernd zu beleidigen.«
»Hast du dich vielleicht verknallt in diesen Tunichtgut?«
»Und wenn? Das geht dich gar nichts an.«
»Das werden wir ja sehen. Wenn er es wagt, dich anzufassen, dann … dann bring ich ihn um.« Ich höre Jackie schrill auflachen:
»Er zerquetscht dich wie eine Fliege, wenn du das versuchst. Bernd ist nämlich unheimlich stark und ein richtiger Mann.« Ein Ausruf, ein Knall und noch ein zweiter und damit ist Paul auf und davon. Ich liege stocksteif auf der Couch in Bernds Armen. Jackie, verliebt in Bernd? Das kann doch nicht wahr sein. Und was fühlt er? Ganz langsam drehe ich mich zu ihm herum. Sein Atem geht ganz gleichmäßig.
»Bernd«, flüstere ich, aber er reagiert nicht, »Bernd?« Er grunzt unwillig und schläft weiter. Er hat also nichts gehört. Das ist vielleicht auch ganz gut so. Vorsichtig winde ich mich aus seinen Armen und decke ihn wieder fürsorglich zu. Und dann gehe ich los, um meine Schwester zu trösten.
Sie ist jedoch sehr viel gefasster, als ich angenommen hätte. Seelenruhig steht sie in der Küche und macht sich eine Tasse Tee, als ich aus dem Wohnzimmer komme.
»Puh, das war ja was«, beginne ich und lasse mich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen, »geht’s dir gut?«
»Ganz gut, ja.«
»Und wie geht es nun weiter?«
»Ich werde mir bald eine eigene Wohnung suchen. In
vier Wochen kommt das Kind. Darum werde ich mich erst mal kümmern. Und sobald es alt genug ist, um einen Platz in der Kindertagesstätte zu bekommen, werde ich Kunstgeschichte studieren.« Das hat sie sich ja fein ausgedacht.
»Und was ist mit Paul?«, frage ich vorsichtig. Sie schaut mir offen in die Augen und grinst:
»Paul? Wer ist eigentlich Paul?«
11.
Das hat sie sich ja fein ausgedacht. Eine eigene Wohnung, ein Kunststudium und kein Paul. Und das aus dem Mund von meiner
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