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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Arm: »Möchtest du wissen, was er so schlimm an dir fand?« NEIN, schreit es in mir. »Ich sag’s dir, wenn du möchtest.« Ich möchte nicht, aber ich bin immer noch zu geschockt, um überhaupt irgendetwas zu sagen. Jan hat mich angelogen? Er ist gar nicht schwul? Er wollte mich nur loswerden? Babsi deutet mein Schweigen als Zustimmung und beginnt, mir aufzuzählen, was mich zu einer schlechten Partnerin macht:
    Ich habe Jan bevormundet.
    Habe ihn nicht er selbst sein lassen.
    Ich bin eine oberflächliche Person, die nur auf Äußerlichkeiten fixiert ist.
    Ich kann nirgendwohin auch nur eine Minute zu spät kommen.
    Ich ziehe ihm den Teller unter der Nase weg, während er noch den letzten Bissen herunterschluckt.
    Alles muss nach meiner Nase gehen.
    Ich gebe jedem in meiner Umgebung das Gefühl, unzulänglich zu sein.
    Ich bin unentspannt und verkopft.
    Ich bin unspontan und kann niemals etwas auf mich zukommen lassen. Sogar Sex muss bei mir lang und breit geplant werden.
    Kurz: Für einen Mann ist es unerträglich, mit mir zusammen zu sein. So unerträglich, dass er mir sogar erzählt, dass er schwul ist. Weil das der sicherste Weg ist, mich wirklich und endgültig und ein für alle Mal los zu sein.
    »Tut mir echt Leid«, sagt Babsi, nachdem sie ihren Vortrag beendet hat und streichelt mir über meinen rechten
Arm. Verwundert schaue ich auf die Stelle. Dann öffne ich den Mund und hoffe, dass ich etwas sagen kann:
    »Babsi«, leise, aber hörbar, »danke für deine Offenheit. Würdest du mir jetzt bitte einen Gefallen tun?«
    »Natürlich«, lächelt sie gutmütig und tätschelt weiter.
    »Verschwinde.« Ihre Mundwinkel sinken herab. »Verschwinde und sorg dafür, dass Jan nicht mehr dort drau ßen steht, wenn ich rauskomme.«
     
    Aber rauskommen, das kann ich erst mal ziemlich lange nicht. Irgendwann geben meine Knie unter mir nach, mit dem Rücken rutsche ich an den Kacheln entlang und sitze schließlich auf dem kalten Steinfußboden. Und genau so fühlt es sich auch in mir drin an: kalt. Nichts weiter. Vor meinem inneren Auge sehe ich immer wieder Babsis stark rot geschminkte Lippen, die diese gemeinen Worte sagen. Die sich öffnen und schließen. Manchmal blitzen die Zähne hervor. Ab und zu öffnet sich die Tür und ich sehe weibliche Beine in unterschiedlichem Schuhwerk hereinkommen. Meist verharren die Füße einen Augenblick. Ab und zu kommen auch ein paar Füße – tapp, tapp, tapp – auf mich zu und eine Stimme fragt:
    »Hey, ist alles okay bei dir?« Dann nicke ich. Oder:
    »Kann ich dir irgendwie helfen?« Dann schüttele ich den Kopf. Da kommt wieder jemand, aber irgendetwas ist anders. Die Schuhe kommen mir seltsam bekannt vor: Hellblau sind sie. Mit einer klitzekleinen weißen Schleife auf dem Spann. Genau wie sie meine Freundin Lara immer trägt. Und da erscheint plötzlich auch ihr Gesicht vor mir.
    »Helen, was ist denn los?« Es ist auch ihre Stimme. Ich sehe sie an. Shit! Jetzt fällt’s mir wieder ein. Ihr Junggesellinnenabschied. Sie betrachtet mich besorgt. »Helen, hörst
du mich? Ist alles okay mit dir?« Oh, Lara. Am liebsten würde ich mich in ihre Arme werfen und losheulen, aber mit aller Kraft halte ich mich zurück. Es ist ihr Abend. Sie soll Spaß haben. Meine Mundwinkel kommen mir tonnenschwer vor, als ich sie im Zeitlupentempo nach oben ziehe, um so eine Art Grinsen zu produzieren:
    »Puh«, sage ich mit zittriger Stimme, »ich glaub, ich hab viel zu viel getrunken. Mir ist irgendwie schlecht.«
    »Du Arme. Komm, ich helfe dir hoch.« Während Lara mich nach oben zieht, verwerfe ich meinen ursprünglichen Plan, für den Rest des Abends gute Laune zu spielen und morgen wieder über Jan nachzudenken. Ich kann nicht. Sein Name, sein Gesicht, seine Vorwürfe und seine neue Freundin Babsi pochen unaufhörlich in meinem Schädel.
    »Lara«, sage ich bedauernd, als ich ziemlich wackelig wieder auf den Füßen stehe, »es tut mir Leid, aber ich muss gehen.«
    »Was?«, fragt sie und sieht dabei schrecklich enttäuscht aus. »Nein, Helen, du darfst noch nicht gehen. Bitte! Es tut mir Leid, dass ich dich habe singen lassen. Wirklich. Bitte bleib.«
    »Das ist es doch nicht. Bitte, Lara, mir ist wirklich sehr schlecht.«
    »Soll ich dich nach Hause bringen?«
    »Nein«, sage ich heftig, »du sollst einen schönen Abend mit den anderen haben, das ist alles, was ich will. Versprichst du mir das?« Mein letzter Satz klingt schon gefährlich nach Schluchzen, und Lara schaut sehr

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