Venus allein zu Haus
mir nach mehreren Minuten einen Blick zuwirft und fragt:
»Hattest du eigentlich einen anderen?«
»Wie bitte?«
»Ich weiß, es geht mich nichts an«, räumt er ein, »aber ich wüsste es trotzdem gern. Hattest du einen anderen Mann in der Zwischenzeit?«
»Und wenn?«, frage ich spitz. Er sieht mich betroffen an. »Hatte ich nicht«, quetsche ich zwischen den Zähnen hervor, und dann kommt mir Bernd in den Sinn, den ich in den letzten Stunden so erfolgreich aus meinen Gedanken verbannt hatte. Ich erinnere mich, wie ich an seinem ausgeleierten Hosenbund herumgezerrt habe und dass nicht viel gefehlt hätte und ich müsste Jan jetzt eine andere Antwort geben.
»Gott sei Dank«, stöhnt Jan auf und ich schaue ihn strafend an. »Ja, ich weiß, es wäre dein gute Recht gewesen«, gibt er zu und streichelt meinen Oberschenkel.
»Allerdings«, fahre ich ihn an, »du hast ja sicher auch ausgiebigst mit dieser Babsi rumgevögelt.«
»Ja, ich weiß«, sagt Jan und lässt reuevoll den Kopf hängen, »es tut mir Leid.« Schuldbewusst schielt er zu mir herüber. Doch dann fängt er schon wieder an zu grinsen und sagt: »Ich weiß, ich bin ein unerträglicher Macho, aber ich bin trotzdem unheimlich froh, dass kein anderer dich hatte. Ich will dich nun mal ganz für mich alleine haben.« Damit lehnt er sich zu mir rüber und küsst mich. »Nicht böse sein.«
»Nein, nein, schon gut«, wehre ich ab. »Und jetzt schau auf die Straße. Oder auch nicht. Ganz wie du willst«, setze ich schnell hinzu. Er soll nicht denken, dass ich ihn rumkommandiere. Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie sich ein zufriedenes Grinsen auf Jans Lippen breit macht.
Zehn Minuten später halten wir vor dem Haus meines Vaters.
»Hey, was machst du denn für ein Gesicht«, fragt Jan und nickt mir aufmunternd zu. »Du siehst ja aus wie das Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank. Es wird schon nicht so schlimm sein. Ich wette, deine Eltern freuen sich.«
»Du meinst, mein Vater und Angela«, verbessere ich ihn.
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen, dein Vater und ich konnten schon immer gut miteinander«, sagt er leichthin und springt behände aus dem Wagen. Tja, da hat aber dein Entschluss, mich zu verlassen, ihn auch noch nicht mehrere tausend Euro gekostet, denke ich sarkastisch. »Na los,
jetzt lächele doch mal«, fordert er mich auf, als er mir die Autotür aufhält und die Hand entgegenstreckt. »Es wird schon nicht so schlimm werden.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln und nicke. Ehrlich gesagt habe ich gerade gar nicht an die Reaktion meines Vaters auf die Neuigkeiten gedacht. Sondern an Bernds.
Natürlich waren Papa und Angela begeistert. Ist ja logisch. Egal, was dieser Mann mir angetan hat, egal, wie sehr ich gelitten habe. Was zählt, ist doch schließlich das Ergebnis. Und das dicke Bankkonto. Mein Vater hat tatsächlich vorgeschlagen, dass wir ja nun den Hochzeitstermin am 30. September doch wahrnehmen könnten. Vermutlich denkt er, dass die Stornogebühren sich auf diese Weise vielleicht doch noch verrechnen ließen. Aber nicht mit mir. In diesem Punkt bin ich hart geblieben. Ich stürze mich nicht gleich wieder in Hochzeitsvorbereitungen. Und die Leute, die ich vor ein paar Wochen ausgeladen habe, die soll ich jetzt gleich wieder einladen? Nein danke. Meinen Standpunkt habe ich deutlich gemacht, und deshalb sitzt Jan jetzt auch etwas verstimmt neben mir.
»Was erwartest du von mir«, frage ich ihn, nachdem wir uns eine Viertelstunde angeschwiegen haben, »glaubst du wirklich, dass ich alles vergessen kann, was du mir angetan hast, nur weil du sagst, dass es dir Leid tut?«
»Du willst mich also nicht mehr heiraten«, fragt er mich düster.
»Doch. Darum geht es doch gar nicht. Aber ich kann nicht einfach weitermachen, als ob nichts gewesen wäre, versteh das doch bitte.« Flehend sehe ich ihn an und endlich guckt er wieder ein bisschen freundlicher.
»Natürlich, du hast Recht. Ich verstehe dich ja.«
»Danke«, sage ich aus tiefster Seele. »Warte, du musst
hier rechts, wir müssen doch Dotty noch abholen.« Jan biegt rechts ab, und in diesem Moment klingelt mein Handy. Ich krame es aus der Tasche hervor und erstarre, als ich den Namen auf dem Display sehe. Bernd. Bernd ruft mich an. Wie hypnotisiert starre ich auf den vibrierenden Apparat in meiner Hand.
»Willst du nicht drangehen?«, fragt Jan. Was bleibt mir anderes übrig?
»Hallo Bernd«, grüße ich und versuche, meiner Stimme einen möglichst normalen Klang zu
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