Venus und ihr Krieger
er in der Nacht keinen Zutritt zum Gasthaus erhalten? Vielleicht – war er bei seiner Flucht ertappt worden? Romelia durchfuhr es siedend heiß! Was wäre, wenn Claudius verhaftet worden war? Vielleicht hatte er die Maultiere gestohlen und war dabei erwischt worden? Vielleicht – vielleicht – vielleicht!
Am Nachmittag hielt Romelia es auf ihrem Beobachtungsposten nicht mehr aus. In das Wirtshaus konnte sie nicht mehr zurück, der Wirt wäre misstrauisch geworden. Noch einmal umrundete sie das ganze Areal in großem Bogen und hielt nach einem schlicht gekleideten Mann mit zwei Maultieren Ausschau. Mehrmals sah sie eine derartige Person, einmal mit einem Esel, einmal mit einem Ochsengespann. Doch in beiden Fällen handelte es sich nicht um Claudius.
Als die Sonne sich neigte, entschloss sich Romelia, zum Versteck ihres Reisebündels zurückzukehren. Es war ein weiter Weg und die Sonne ging bereits unter, als sie den Olivenhain erreichte. Bei Tageslicht sah alles anders aus. Sie suchte verzweifelt nach dem hohlen Baum. Als sie ihn endlich fand, durchfuhr sie ein heftiger Schreck. Der Baum war leer, das Bündel verschwunden!
Ein Räuber hatte das Versteck entdeckt, war Romelias erster Gedanke. Was nun, wenn sie kein Geld mehr für ihre Flucht besaßen? Und keine Kleidung? Wohin sollten sie flüchten, wenn sie eine Schiffspassage nicht bezahlen konnten? Und wo, bei allen Göttern Roms, steckte Claudius?
Romelia packte ihren groben Baumwollkittel und lief, so schnell es ihre schmerzenden Füße zuließen, zu ihrem Anwesen zurück. Schon von weitem sah sie, dass um die Villa große Aufregung herrschte. Einige Soldaten standen am Tor, die Sklaven liefen wie aufgescheuchte Hühner umher. Sie schlüpfte durch die kleine Pforte im hinteren Teil des Gartens und hastete über den Wirtschaftstrakt hinüber zu ihren Gemächern. Auf dem Gang prallte sie mit Drusilla zusammen.
»Bei Jupiter, die Herrin!«, schrie Drusilla auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen, befremdet blickte sie auf die schäbige und beschmutzte Kleidung von Romelia.
»Halt den Mund!«, brüllte Romelia zurück. »Was ist hier los?«
»Du wurdest vermisst, Herrin«, schluchzte Drusilla plötzlich auf.
»Ich verstehe selbst nicht, warum ich so fest geschlafen habe. Und dann war dieses Seil aus Stoff an der Balustrade deines Schlafgemaches – da dachten wir, du bist geraubt worden. Celius hat die Polizeiwache alarmiert.«
»Polizei«, flüsterte Romelia erschrocken.
Drusilla nickte. »Ein Bote ist unterwegs nach Rom, um deinen Gatten zu benachrichtigen.«
Entsetzt sprang Romelia von dem Hocker auf, auf den sie sich entkräftet hatte fallen lassen.
»Wo ist Claudius?«, rief sie aufgebracht.
Ehe Drusilla sich in Bewegung setzen konnte, eilte Romelia bereits wieder hinaus und lief zum Gästetrakt. Doch die Kammer, die Claudius bewohnt hatte, war leer. Nur seine Prunkrüstung lag achtlos auf dem Boden. Seine Waffen, sein Geld, seine Kleidung waren verschwunden!
Langsam ahnte Romelia, dass sie hinterrücks in eine schreckliche Falle gelockt worden war – von Claudius! Sie benötigte einige Augenblicke, um die gesamte Tragweite dieses Verrates zu begreifen. Hilflos stand sie in der leeren Kammer, zitternd vor ohnmächtiger Wut. Claudius! Sie ballte ihre Fäuste zusammen. Claudius! Du wirst neben Pila in der Arena sterben, das schwöre ich dir!
Sie musste dringend nach Pompeji, sie musste den Polizeipräfekten sprechen!
»Drusillaaaa!! Lass den Wagen anspannen. Ich muss nach Pompeji!«
Drusilla eilte ihr entgegen. »Das geht nicht, Herrin. Die ganze Stadt ist in Aufruhr und die Soldaten sind ausgeschwärmt. Pila ist irgendwie aus den Verliesen des Theaters entkommen!«
Hand in Hand liefen Claudius und Pila durch die sternenklare Nacht von Pompeji auf den mächtigen Gipfel des Vesuvs zu. Vorsichtig umgingen sie die herrschaftlichen Sommervillen und Güter an der Südflanke des Berges, um zum Tempel des Feuergottes zu gelangen. Pila unterdrückte die tausend Fragen, die sie quälten. Was war geschehen? Warum hatte Claudius sie verraten und dann befreit? Wo brachte er sie hin?
Claudius schwieg, nur sein Atem ging stoßweise, während er Pila mit sich zog. Sie befanden sich in der Nähe von Romelias Anwesen. Wollte Claudius dahin zurück?
»Romelia wird uns suchen lassen«, wagte Pila sich leise zu vernehmen.
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Claudius. »Schweig still, es könnte uns jemand
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