Venus und ihr Krieger
auf die Ohren gepresst, wenn Velox diese Geschichte erzählte und mit zahlreichen fantasievollen Details ausschmückte, doch auch ihr erschien es besser, nichts von den wahren Gründen ihrer weiten Reise zu sagen. Da ihr Haar noch nicht wieder zur vollen Länge nachgewachsen war, flocht sie es zu gekringelten Knoten an den Schläfen, wie sie die Frauen mancher Germanenstämme trugen. So umging sie unangenehme Fragen, denn auch bei den Helvetern galt eine Frau mit abgeschnittenem Haar als eine Verurteilte und Verfemte. Außerdem umwickelte Sigrun ihren Kopf meist mit einem wollenen Tuch gegen die Kälte und so fiel ihre Frisur nicht weiter auf.
Auf ihrer eintönigen Wanderung lehrte sie Velox die nordische Sprache. Das Gallische unterschied sich von den germanischen Dialekten nicht wesentlich. Velox zeigte sich sehr gelehrig und wandte sein neues Wissen gleich an, um beim nächsten Bauernhof, auf dem sie um Nachtquartier baten, seine Geschichte noch ein wenig bunter zu erzählen.
Einzig den umherziehenden Händlern gingen beide aus dem Weg. Es konnten römische Händler sein, die darauf erpicht waren, seltsame Begebenheiten aus diesem unwirtlichen Land in Rom zu erzählen und damit die Spur nach Norden zu lenken. Es konnten auch nordische Händler sein, die ihre Begegnung mit dem Paar in Rom erzählten, um sich interessant zu machen, und sie der gleichen Gefahr aussetzten. Für alle mussten sie der Krieger Velox, vom Hofe des Gallierkönigs Antequos, mit seiner jungen Frau sein.
Doch die beschwerliche Reise forderte ihren Tribut, als Sigrun eines Tages Rückenschmerzen bekam und weder reiten noch laufen konnte. Velox war sehr besorgt um sie und sie klopften am Tor des nächsten Gehöftes an.
Auch hier wurden sie gastfreundlich empfangen und die älteren Frauen kümmerten sich um Sigrun, die von Schmerzen gequält wurde.
»Du solltest nicht mehr reiten in deinem Zustand«, sagte eine der Frauen und betrachtete Sigruns Bauchumfang. »Überhaupt solltest du nicht mehr reisen, sondern hier bleiben und dein Kind zur Welt bringen.«
»Nein, nein«, wehrte Sigrun ab. »Mein Gemahl muss an den Hof des Königs zurückkehren und er würde mich niemals allein hier zurücklassen.«
Bedächtig wiegte die Alte den Kopf. »Du könntest dein Kind verlieren«, gab sie zu bedenken. »Die Anstrengung ist zu groß.«
»Ich bin kräftig genug und warme Kleidung habe ich auch«, entgegnete Sigrun und verzog wieder das Gesicht. Der Schmerz ließ nicht nach. Die Frauen zogen sich zurück, um zu beraten. Dann schoben sie die Bänke und Tische weg, heizten das Feuer kräftig an und schickten die Männer hinaus.
»Was ist los mit ihr?«, fragte Velox.
»Nichts, was Sache eines Mannes wäre«, sagte die Frau energisch und schob ihn zur Tür hinaus. Beunruhigt folgte er den Männern des Hofes, die sich zum Brauhaus hinüber begaben. Wenn die Weiber ihre medizinischen Riten vollführten, konnte man getrost ein paar Krüge Bier leeren. Das vertrieb die Zeit und wärmte von innen.
Die Frauen schleppten Krüge mit geheimen Mixturen herbei und Bündel verschiedenster Kräuter, aus denen sie Tee zubereiteten, den sie Sigrun zu trinken gaben. Bald wurde Sigrun schläfrig und sie fühlte sich so wohlig und leicht, dass sie nur noch im Unterbewusstsein bemerkte, dass die Frauen sie ans Feuer führten, ihr die Kleider auszogen und ihren Körper mit einer seltsamen Tinktur einrieben. Dabei murmelten sie geheime Formeln, klopften mit kleinen Stöckchen, auf denen Runen eingeritzt waren, auf Sigruns Bauch und vollführten tanzende Umkreisungen. Es wurde sehr heiß im Raum und auch die Frauen gerieten in eine Verzückung, in der sie die Geister anriefen, dem ungeborenen Leben zu helfen. Zum Schluss wickelten sie Sigrun in wollene Tücher und ließen sie in einem breiten Holzbett schlafen.
»Habt ihr gesehen, dass ihr Haar recht kurz war?«, fragte eine der Frauen, während sie ihre geheimen Mixturen wieder forträumten.
»Und sie hatte auf dem rechten Arm ein seltsames Zeichen eingebrannt. Es waren keine Runen, auch keine Bilder. Es sah aus wie die Schriftzeichen, die die römischen Händler manchmal benutzen.«
»Glaubst du, sie ist gar keine Gallierin?«
»Sie ist blond und hat blaue Augen, sie entstammt der nordischen Rasse. Außerdem spricht sie unsere Sprache.«
»Und ich sage euch, mit ihr stimmt etwas nicht. Ob der Krieger sie geraubt hat?«
»Nein, sie scheint sehr verliebt in ihn zu sein. Das sieht man, wenn sie ihn anschaut. Auch er
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