Venus
Haaransatz, sie legt dieHände auf seinen knarzigen Schädel. Er schließt die Augen und genießt, denn er war bisher ein rundherum ungestreichelter Mann.
Die Sensation des Streichelns und des Gestreicheltwerdens genügt sich eine Zeit lang selbst. Minuten. Stunden. Wer weiß das schon. Wir jedenfalls sehen nicht auf die Uhr. Es ist so, dass sich das Tempo irgendwann von selbst verändert. Vielleicht weil ein lauer Wind über unser Liebespaar hinwegfegt. Vielleicht weil es unten auf der Straße langsam ruhig wird. Vielleicht weil sich durch den New Yorker Partymüll ein Auto der Stadtreinigung schiebt, als sei nichts geschehen. Er streichelt ihren schwitzenden Körper, er streichelt schneller, begehrlicher. Er nimmt die ganze Frau wie ein filigranes Spielzeug zwischen seine riesigen Hände. King Kong und die weiße Frau. Nun ist er erregt. Aber etwas ist anders. Es ist, als sei es wirklich sie, die er will. Er robbt dichter an sie heran, er umschließt ihre Brüste, sein großes rundes Knie berührt ihren Schoß. Beide zucken unter der Berührung zusammen. Er kann sehen, dass ihr Schamhaar hell ist, fast weiß, wie ihr Kopfhaar, wie ihre dichten Wimpern.
Es ist so viel Raum über ihnen, die unaussprechlich hohe Himmelkuppel. Der Raum über seinem Kopf gibt dem Swami ein Gefühl von Ewigkeit, weitet ihn innerlich, zieht ihn hoch wie einen Magneten. Er hockt sich hin, nackt hockt er vor ihr wie ein gigantischer Ochsenfrosch. Eine neue Wolke hat sich vor den Mond geschoben. Venus ist entzückt vom Schattenriss ihres Geliebten. Er ist einfach nur da. Er verführt sie passiv. Er verführt sie mit der Wucht seines Daseins, mit seiner gewaltigen körperlichen Präsenz, mit dem Koloss seines Körpers.
Er hat Verführung nie gelernt, er hat Verführung nie gebraucht, er weiß auch nicht, was Liebe ist. Erstmals nimmt er die Sensation der allersachtesten menschlichen Berührung wahr, die Feuerdusche einer taktil hervorgerufenen Gänsehaut. Allein eine Strähne ihres Haares auf seiner Haut fühlt sich an wie Sand unter den Füßen, wie Ozeanwellen im Gesicht, wie Weidenkätzchen an seinen Handflächen. Was hier geschieht, liegt außerhalb von Macht, Besitz und Gier. Was er ertastet, weich, hart, rau, zart, trocken, feucht, erweitert seine unterentwickelte Gefühlsskala. Erstmals spürt er das Bedürfnis, sich zurückzuhalten, zu genießen, ohne sich etwas zu verbieten. Er fühlt sich nicht beobachtet, nicht kontrolliert, nicht verpflichtet. Er spürt eine Sanftheit in sich, über die er sonst nur im sexuellen Ruhezustand verfügt, auf die er niemals vorher Zugriff hatte im Moment der Lust.
Sie richtet sich auf, hockt sich vor ihn wie ein Küken vor die Mutterglucke, reckt sich und legt ihre Stirn an seine, ihre Schweißperlen verschmelzen mit seinen, bilden eine neue Legierung. Eine Weile verharren sie so, an den Stirnen zusammengewachsene siamesische Zwillinge, mit seligen erregten Ganzkörperhäuten. Im Vorgeschmack der Liebe lauschen sie in sich hinein. Sie lauschen in den anderen hinein. Sie lauschen den Stimmen der letzten Feiernden, der versprengten Randalierer, der Polizisten unten auf der Straße, sie lauschen den Salsaklängen, den Martinshörnern, den Autohupen. Sie spüren den Atem des anderen wie eine sanfte Brise auf ihren Gesichtern. Zweifelsohne sind sie in jenem Zustand, in welchem Menschen gern behaupten, die Engel singen zu hören.
Sie weiß, dass sie gleich mit ihrer Zunge auf seinen schweren Lippen entlangfahren wird, an seinem herrischenKinn entlang, den Konturen des Halses folgend, durch sein knisterndes Brusthaar, mit der Zungenspitze eine Schneise in seinen strammen Bauch bohrend, dass sie ihre Nase in seinen wild wuchernden Schamhaarborsten vergraben wird. Sie weiß, dass sie dann mit dem Kinn bereits seine Erektion spüren wird, und anderen Falls, dass sie seinen weichen Penis in kürzester Zeit hart küssen wird. Sie weiß, dass sie jeden Zentimeter seiner haarigen Beine streicheln wird, seine Zehen erkunden, seine Fesseln, seinen Spann, seine Fersen, alles, alles, nichts wird sie auslassen auf Sun Babas zerschlissener Decke, auf dem Kirchendach, den ganzen gewesenen Mönch würde sie liebkosen, ablecken wie eine Mutterkuh das Kälbchen, bis das Tageslicht ihnen die schützende Decke wegreißen würde.
Er weiß, dass er gleich sein Gesicht zwischen ihre Brüste pressen wird, es auf ihren flachen Bauch legen wird, dass sich sein Gesicht, auf ihrem Bauch liegend, heben und senken wird mit jedem
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