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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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es Tumult.
    »Sagt mal, ihr weißen Fotzen, ihr wollt mich wohl nicht?« Ein Mann baut sich vor Venus auf. Ein Mann wie ein Schrank, größer noch als der Bliss Swami, schwarz wie ein Loch. Eine Bettlerin geht dazwischen und bufft den Riesen vor die Brust.
    »Hey Man, ich bin eine schwarze Fotze, und ich will dich auch nicht!«
    Johlen in der Menge. Der schwarze Riese schiebt sie weg und kommt Venus näher.
    »Du bist die Tochter von Sklavenhändlern«, sagt er, »das seh ich dir an.« In seinen Augen sind viele Äderchen geplatzt. Er riecht nach Schnaps und ungeputzten Zähnen. In gewissem Sinne hat er Recht, unsere Venus gehört, auch gestrandet und entwurzelt, immer noch zweifellos der herrschenden Klasse an. Sie steht in ihrem perlenbestickten Punjabi-Suit ätherisch zwischen all dem Elend, sogar ihren neuen Namen, Steakmessermodel, trägt sie wie ein Tiffany-Accessoire.
    Der Junge ruft aus dem Auto: »Mach dich mal locker, Zak. Hier hast du ’n Cranberry-Muffin.« Der schwarzeRiese fängt den Muffin, einen Klumpen aus locker gebackenem Teig in einer Papiertüte, wirft Venus einen unentschlossenen Blick zu und bleibt stehen. Das Mädchen nähert sich mit großen schweren Schritten dem schwarzen Riesen, reckt sich auf die Zehenspitzen, nimmt sein Gesicht in die Hände und küsst ihn auf den Mund. »God bless you«, sagt es. Und leise zu Venus: »Sorry!« Der schwarze Riese zieht sich mit verklärtem Blick zurück. Er lächelt.
    »Ist doch nix passiert«, sagt Venus mit leicht zittriger Stimme. Das Mädchen hat den stinkenden Typen tatsächlich auf den Mund geküsst. Und sich dafür entschuldigt. Oder wofür auch immer. »Seid ihr eigentlich auch … religiös?« Das Mädchen sieht schweigend den Jungen an. Offenbar ist sie nicht befugt zu antworten. Unter ihren Augen sind Netze von alter Mascara. »Wir lieben alle Menschen«, flüstert sie mit unsicherem Seitenblick auf den Jungen.
    »Religiös nicht«, sagt der, springt in den Spagat und dehnt den Oberkörper nach vorn und nach hinten, nach vorn und nach hinten. »Spirituell! Wir sind spirituell!« Er kneift die stechend grasgrünen Augen zusammen. »Wir sind … Gott.« Er lacht dröhnend, verschränkt die Hände ineinander und streckt sie hoch zum Himmel. Seine Knochen krachen. Dann dehnt er sich stöhnend nach links und nach rechts, nach rechts und nach links. »Aber wir müssen noch üben.« Er knackt die Fingergelenke einzeln. »Im Tempel sagen sie, dass Gott die Welt perfekt gemacht hat. Aber sieh dir das an.« Er zeigt mit großer Geste auf die Schlange, die inzwischen auf über hundert Leute angewachsen ist. »Ist das eine perfekte Welt?«
    *
    Die Welt ist alles andere als perfekt, das weiß indessen auch Daniel H. Boone, unser Inspektor, aber den fragt ja keiner. Der soll nur immer Ergebnisse liefern, Dukaten scheißen wie ein Goldesel, dafür wird er ja schließlich bezahlt. Als sei die Welt perfekt. Wir haben ihm rasch einen Besuch abgestattet, nicht zuletzt, weil wir das Elend im Tompkins Square Park nicht ertragen können. Boone kommt zwar voran, aber langsamer als Captain Kelly, sein Yuppie-Vorgesetzter, hofft.
    Die leidige Wohnungssuche hält Boone auf. Er hat zwar etwas Neues gefunden, ein winziges Einzimmerapartment in Brooklyn, aber das wird erst in sechs Wochen frei, und er braucht sofort einen Platz zur Überbrückung. Eine Woche hat ihm der Hausbesitzer gegeben, ein überaus unwürdiger Abgang, nach dreißig Jahren. Captain Kelly, dem Boones private Umstände natürlich egal sind, hat seinen dienstältesten Inspektor in der Mordkommission bereits zweimal verwarnt und auf Ergebnisse gedrängt. Die Öffentlichkeit will einen Mörder. Und zwar in Handschellen. Und zwar hopphopp.
    Etwas tiefer ist Boone inzwischen eingedrungen in die Glitzerwelt des Millionenerben, die, obwohl sie glänzt, nicht Gold ist. Er hat mit frisch gewaschenem schwarzem Hemd die Witwe des Opfers vernommen, eine fahrige dünn gehungerte New Yorkerin mit übertriebener Gestik, die die Hauptverdächtige stark belastet und selbst ein Alibi nennt, das allerdings noch überprüft werden muss. Er hat seine einzige Krawatte umgebunden und die Eltern von Opfer und Tatverdächtiger kennen gelernt, alles feine Pinkel der New Yorker Upperclass. Er hat in Räuberzivil wiederholt den Tatort besichtigt, sich in die markierten Umrisse der Leiche gelegt, mit geschlossenen Augen, nur an den rotenBäckchen als Noch-Lebender auszumachen. Er ärgert sich seit der Titelgeschichte in der New

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