Venus
und indisch zu kochen. Putzen konnte sie ja schon. Sie hing an den Lippen des kleinen weißen Mannes, obwohl der ihr in einem Ton, in dem man mit Idioten spricht, die Welt erklärte. Cio-Cio-San war das egal. Sie vergaß Buddha und betete vorschriftsmäßig Krishna an. Sie trug auf die Bitte des kleinen weißen Mannes hin nur noch Kopftücher und lange weite Röcke. Besser als nackt in der Bar, besser als Ratten, Syphilis, Aids. Sie absolvierte ein ungeheures Pensum an täglichen Gebeten und harter körperlicher Arbeit. Sie stand im Morgengrauen auf und knüpfte flinkhändig Blumengirlanden für ihren neuen Gott, aber eigentlich für den kleinen weißen Mann, der ihr inzwischen einen neuen Namen gegeben hatte, der ihr viel besser gefiel als ihr alter: Maria Magdalena. Sie hatte das Gefühl, dass der kleine weiße Mann die Lösung für alle ihre Probleme war.
*
Als Venus ihr Zimmer betritt, findet sie es leer. Das Bett ist frisch bezogen, saubere Handtücher liegen fächerförmig angeordnet darauf. Venus stampft mit dem Fuß auf. »Was fällt dir ein, du Zwerg?«, ruft sie. »Du schmeißt mich raus? Du schmeißt mich einfach raus? Du gibst mir keine Chance, keinen einzigen Tag Aufschub?«
Togas Frau fixiert sie mit unbewegtem Gesicht, während ihre Hände weiter Gemüse hacken. Hackhackhack.
»Venus«, sagt Toga salbungsvoll. »Wir alle lieben dich …« Der Tonfall, in dem er das sagt, der Blick, mit dem er seine Bemerkung begleitet, bereitet sogar uns ein Unbehagen. Auch bezweifeln wir, dass die Gemüsehackmaschine mit dem Blumenkopftuch und dem Raschelrock unsere Venus liebt. Die Einzigen hier, die sie lieben, sind vermutlich wir.
»Ich pfeif drauf«, ruft Venus und läuft hinaus, geradewegs in den prallen Bauch des Bliss Swami, den wir vorsorglich im Flur bereitgestellt haben. Sie weint. »Ich will hier raus, aber ich weiß nicht, wohin!«
Bliss Swami bleibt stumm, er steht bewegungslos und hält sie etwas unentschlossen eher von sich weg als im Arm.
Sein Herzschlag beschleunigt sich dennoch. Es ist ihm nicht erlaubt, eine Frau im Arm zu halten. Die vedischen Schriften weisen einen Fall wie diesen klar als spirituelle Verunreinigung aus. Frauen gehören nicht in die Arme von Mönchen. Aufgabe eines Mönchs ist es, sich ganz Gott zu widmen, mit all seiner Zeit, all seinen Gedanken, all seiner Kraft und Anstrengung, mit allem, was er hat und ist. Es ist der Teufel, der das Ziel verfolgt, den Mönch von Gott wegzulocken. Manchmal, sehroft sogar, erscheint der Teufel in Gestalt einer Frau. Jede Versuchung, der der Mönch widersteht, bedeutet Kraft, Seelenfrieden, Freude. Jede Versuchung, der der Mönch unterliegt, fordert »Reaktionen« heraus, schlechtes Karma sammelt sich an, gutes wird zerstört. Komplizierte Waschungen werden nun notwendig sein, denkt Bliss Swami, während er unsere Venus auf Abstand hält. Doch das Fleisch ist schwach und er sieht sich außerstande, sich zu befreien.
»Wir schmeißen dich nicht raus«, sagt Toga, der es für bescheidener hält, von sich, dem Diener des Dieners, im Pluralis Majestatis zu sprechen. »Wir möchten, dass du bei uns bleibst.« Er tritt hinter sie, nimmt sie an den Schultern und löst sie langsam, aber bestimmt vom Swami, um dessen Seelenheil er zu Recht fürchtet. »Aber es ist … offensichtlich, dass du kein Geld mehr hast. Deswegen haben wir entschieden, dich bei Bringfriede einzuquartieren. Die Miete kannst du vorerst im Haus abarbeiten. Du wirst von jetzt an täglich zur Morgenzeremonie gehen. So wirst du weiterkommen auf deinem spirituellen Weg.«
Venus, deren spiritueller Weg sie bisher – der Hindupampe wegen – nur anfallartig auf die Toilette geführt hat, fühlt sich gefangen. Eben hat sie sich noch rausgeschmissen gefühlt, jetzt fühlt sie sich gefangen. Ist sie gefangen? Kommt sie jemals raus hier?
»Sag mal, gehst du da auch immer hin?«, fragt sie später Benito, der nach Zigarette stinkend und mit tieftraurigem zerknautschtem Gesicht ins Goldbrokatzimmer geschlurft kommt. Er macht sich an den Lunchtöpfen zu schaffen und setzt sich mit drei gedünsteten Karotten auf dem Teller neben Venus an den Tisch. Uns fällt auf,dass er immer diesen leicht weggetretenen Ausdruck hat, man kann schwerlich ahnen, ob er zuhört oder nicht.
»Wohin?«, fragt er schließlich.
»Zur Morgenzeremonie?«
Er grinst schadenfroh. »Ach, haben sie dich jetzt auch im Sack?«
Sie nickt.
»Drei Stunden Höhlenrituale«, sagt er wegwerfend. »Götzenanbetung.
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