Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
sorge jetzt für unser Quartier – und du solltest dich anziehen.«
Hasdrubal wandte sich dem Cairn zu. Plötzlich fühlte er sich alt und ausgelaugt. Unwirklich und losgelöst von den Ereignissen, die ihn direkt betrafen. Am liebsten hätte er sich ebenfalls auf den Boden gelegt und einfach den Himmel betrachtet, während langsam die Sonne aufging.
Er drehte sich um und warf einen Blick auf den herrlichen Körper der Königin. Er seufzte, als er begriff, dass er es nicht tun würde. Nicht hier und nicht gemeinsam mit ihr. Dafür war er nicht stark genug – nicht heute.
13
Joel spürte die inzwischen übliche Orientierungslosigkeit beim Erwachen.
Dann erinnerte er sich und setzte sich ruckartig auf. Er hatte die Kontrolle verloren. So vollständig wie niemals zuvor und wie hoffentlich niemals wieder. Nicht einmal bei Claire hatte er sich so gehen lassen – und doch war es schon damals zu viel gewesen.
Er blinzelte in der gedimmten Helligkeit des Zimmers. Es glich einem Chaos. Überall lagen aufgeklappte Bücher und Scherben – Zeugnisse des vergangenen Streites, in dem Magnus‘ kleine Teufelin beinahe die Oberhand gewonnen hätte.
Er drehte sich zu ihr und sein schlechtes Gewissen belastete ihn mit unverhohlener Macht. Er hatte sich schäbig verhalten, sie misshandelt und benutzt! Und trotzdem schlief sie an seiner Seite. Vertrauensvoll und friedlich. Er konnte spüren, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen. Es war schön, ihr beim Schlafen zuzusehen. Entspannend und …
Ein komischer Gedanke bei dieser Furie, die zu einer Leidenschaft fähig war, die seiner gleichkam.
Er starrte auf seine nackten Füße. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten nahm er seinen Körper wieder bewusst war, fühlte sich lebendig und wach wie schon lange nicht mehr. Er hatte keine Probleme sich zu erinnern, keine Probleme, sich zu motivieren. Alles der Verdienst einer einzigen Frau.
Zärtlich strich er Judith über die Wange. Eine Geste der Hilflosigkeit. Schon bald würde sie erwachen und ihn mit Vorwürfen überfallen. Zu Recht. Nicht nur, dass er sie hier hergebracht hatte; sie war völlig schuldlos in diese Situation geraten. Magnus hatte sie benutzt – wofür auch immer. Und Joel hatte sie auf ewig verdammt, weil er seine Triebe nicht unter Kontrolle hatte. Gar nicht. Heiße Wut auf sich selbst stieg in ihm auf. Er konnte vor sich rechtfertigen, dass er sieals Geisel in die Perle gesperrt hatte, konnte argumentieren, es wäre notwendig gewesen, um das Versteck des Elixiers zu erfahren. Doch der beinahe gewalttätige Liebesakt hatte nichts mit einem Elixier zu tun. Es gab keine Ausrede. Er hatte sie gewollt und die Situation, in die er sie ohnehin gebracht hatte, noch verschlimmert indem er seine Überlegenheit ausgenutzt hatte.
Er sah sie erneut an. So friedlich und vertrauensvoll würde sie nie wieder neben ihm schlafen. Wahrscheinlich tat sie es jetzt ohnehin nur, weil sie zu erschöpft gewesen war, um erneut zu streiten. Im Schlaf wirkte sie sehr unschuldig und sehr jung. Als spüre sie seinen Blick, begann sie sich zu räkeln und zu strecken.
Minutenlang genoss Judith das Gefühl, zwischen Schlafen und Wachen zu schweben, in Erwartung eines neuen Traumes und in erwachender Gewissheit eines plötzlich aufregenden Lebens. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit auf ihr neues Körperempfinden. Es war warm, angenehm, der Satinstoff schmeichelte ihrer Nacktheit, glitt über ihre Haut und veränderte je nach Lage die Temperatur unter der Decke. Schließlich gab sie den Versuch auf, sich selbst in dem faszinierend ausgefüllten Traum zu halten. Sie konnte den Blick des Vampirs spüren und wusste, dass er auf sie wartete. Früher oder später würde sie sich sowieso den Tatsachen und dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, stellen müssen. Sie konnte die Vergangenheit nicht rückgängig zu machen. Nicht, dass sie es überhaupt gewollt hätte. Es war überwältigend gewesen – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie konnte spüren, wie ihr Gesicht ihre Gedanken widerspiegelte. Sie befürchtete, vor Glückseligkeit und Befriedigung zu strahlen. Genauso hatte sie es gewollt. Unaufhaltsam und mit einer Dominanz, die es ihr erlaubte, jede Hemmung zu verlieren. Sie schlug die Augen auf.
Er war ihr atemberaubend nahe.
»Joel!«
Er war überrascht davon, dass sie seinen Namen flüsterte und ihre Hand nach ihm ausstreckte. Es reichte nicht, um ihn zu berühren. Er wagte nicht, sich zu bewegen und den Abstand zwischen ihnen
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