Notar habe ich auch angerufen und ihm mitgeteilt, dass der Vertrag hinfällig sei. Er aber einen Entwurf für Dirk aufsetzen soll. Schon deshalb will ich frei von Hilberich sein, sonst springt mir der Dirk auch noch ab. Den umsäusele ich, damit er bei der Stange bleibt.
Liebe Mädels, jetzt habe ich so viel erzählt und bin gar nicht weiter auf Eure Mitteilungen eingegangen. Als Nächstes ist erst einmal unsere Josefa dran. Du, ich habe allerdings die Briefe noch nicht geöffnet. Zum einen, weil ich hier so auf Trab gehalten werde, und – weißt Du, für solch geheimnisvolle Briefe braucht man Ruhe – zum anderen, ja, ich trau mich nicht so recht. Was steht da bloß drin. Sue, hast Du sie jetzt gelesen?
Eure Gerda
13.
Absender: Josefa, irgendwo im Süden
Kontakt und Weiterleitung über die Kanzlei Dr. J. Magerkorn, Oberbüttelbakenfehn
Liebe Gerda und liebe Sue,
im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte vermache ich Euch hiermit zu meinen Lebzeiten die in meinem Besitz befindliche Buchhandlung.
Hört auf zu kreischen, ich höre Euch bis hierher.
Und ehe Ihr Euch an die Stirn tippt: Ich weiß haargenau, was ich tue. Der Laden wird bisher von meiner Frau Wansleben geführt, die ja auch Kontakt mit Euch aufgenommen hat. Zum aktuellen Stand der Dinge gibt es von ihr auch einen aktuellen Brief an Dich, Sue, und an Dich, Gerda. Also, hier die Modalitäten:
Ich möchte, dass Ihr meine doch nun etwas angestaubte Buchhandlung renoviert. Etwas frische Farbe brauchen die Wände, und die Regale müssten neu mit Öl eingelassen werden. Mehr ist nicht zu tun. Die Kosten hierfür könnt Ihr von der ersten Miete abziehen.
Ja, ich spinne nicht ganz – natürlich verschenke ich mein Hab und Gut nicht einfach so. Es sind Bedingungen daran geknüpft.
Nummer eins: Mit der monatlichen Miete von 800 Euro finanziert Ihr mir einen Großteil dessen, was ich für mein Leben unter der Sonne brauche.
Nummer zwei: Ihr müsst Bücher verkaufen. Etwas anderes passt nicht zum Laden.
Nummer drei: Ihr fragt mich niemals, warum ich das tue, und wo ich bin.
Das befiehlt
Eure Josefa
P.S.: Zum Laden gehört die Wohnung oberhalb. Ist noch mit meinen Möbeln vollgestopft. Wenn sie Euch nicht gefallen, schenkt sie dem Roten Kreuz. Und ach ja: Natürlich sind die vier Zimmer in der Ladenmiete bereits mitberechnet. Nebenkosten gehen allerdings extra.
P.P.S: Den Schlüssel könnt Ihr jederzeit bei Frau Wansleben abholen.
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Samstag, 17. November, 23:30 Uhr
Betreff: Josefa
Höre mal Josefa,
Du spinnst. Komplett.
Was will ich mit einem Buchladen? Ein kleines Café, von mir aus. Aber staubtrockene Bücher? Du weißt, dass ich nicht gerne lese. Und gibt es überhaupt nette Männer in der Nachbarschaft?
Ja, ich will hier weg. Ich brauche einen Neuanfang. Vorhin rief meine ehemalige Schulkameradin an. Schwärmte von der standesamtlichen Trauung meines Ex. Sie war dabei – als Standesbeamtin. Und sie lobte mich, wie cool ich das wegstecke. Am liebsten hätte ich ihr gesteckt, dass sie sich das sonst wohin stecken kann.
Gerda ist mittendrin in einem Schlamassel, der wie ein Roman klingt. Sie kann doch Romane verkaufen.
Aber wenn Du, Gerda, eine Putzfrau brauchst und jemand, der Deinen Kunden mal Käsekuchen serviert, dann komme ich gerne.
Laden.
Wohnung.
Geht’s denn noch? Ist das echt?
Egal. Gerda, ich kann Dienstag und Mittwoch im Autohaus Überstunden abfeiern. Soll ich mir ein Zugticket kaufen? Sollen wir gucken, ob Josefa sich nicht einen blöden Scherz erlaubt? Bitte nicht, denn ich mag keine Scherze mehr. Nicht nach dem Eiermann. Nicht nach Frank. Und nicht nach meinem frisch verheirateten geschiedenen Mann.
Eure staunende Sue
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Samstag, 17. November, 08:02 Uhr
Betreff: Buchhandlung Josefa Hansen
Werte Damen!
Ich hatte Ihnen ja schon geschrieben – aber noch keine Nachricht dazu von Ihnen erhalten. Also, das Ganze nun per Mail.
Ich denke, dass Sie inzwischen wissen, was auf Sie beide zukommt. Ich hoffe auch, dass Sie wissen, welch ein Geschenk die liebe Josefa Ihnen macht. Nehmen Sie es an, würdigen Sie das in Sie gesetzte Vertrauen, denn ein ganzes Dorf wird auf Sie gucken. Sie beobachten. Wir in Oberbüttelbakenfehn sind an den Laden ›Buch-Hansen‹ gewöhnt und werden kritisch und neugierig Ihre Änderungen beobachten. Sie müssen Bücher verkaufen!