kam der Postbote. Und? Er brachte einen Brief von Josefas Anwalt. Hast Du auch Post von ihm bekommen, dem Herrn Dr. J. Magerkorn? Dazu gab’s einen weiteren von Frau Wansleben. Welchen öffne ich zuerst? Sind das gute oder schlechte Nachrichten?
Hör mal Josefa, falls Du mitliest: Was sind das für Briefe? Ich meine, wenn Du etwas Wichtiges sagen und mit uns bereden möchtest, warum meldest Du Dich nicht? Ich finde das schade. Und Du, Sue, kannst Dich auch räuspern!
Also, denn mal tschüss. Ich muss die Briefe lesen. Bevor möglicherweise wieder die Polizei vor der Tür steht. Oder der Hilberich. Könnte dem nicht einfallen, zu seinem Wurz zu fahren, anstatt heimlich Brote zu essen und den Kaffee auszutrinken? Ist ja nicht besonders schlau von ihm. Möglicherweise wurde ihm kein allzu großer IQ mitgegeben. Der kann doch nicht darauf vertrauen, dass ich den Mund halte. Oder wird er bei mir einbrechen und mich zwingen, ihm Geld zu geben? Er weiß ja nicht, dass ich selbst kaum etwas habe.
Eure nachdenkliche Gerda
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Montag, 12. November, 15:35 Uhr
Betreff: Kriminaltango
Du liebe Zeit, Gerda,
bist ja mittendrin im Krimi! Soll ich Dir den Frank ausleihen, dann kannst Du mit ihm einen Kriminaltango auf den Teppich legen?
Scherz beiseite. Ich würde so einem ganz bestimmt kein Essen vor die Tür stellen. Und schon gar nicht den Kerl irgendwie decken. Oder hat er Dir einen Anteil von seiner Beute versprochen? Ab einer Million würde ich mit mir reden lassen.
Warum hast Du noch nicht in die Kartons geschaut, die er abgestellt hat? Vielleicht sind da keine Bücher und Töpfe drin, sondern viele bunte Geldscheine?
Ja, Post habe ich auch. Aber noch nicht geholt, unten, mein ich, hab nur durch das Treppengitter gesehen, dass was im Kasten steckt. Aber ich muss mich erst restaurieren, habe die halbe Nacht geheult. Seit elf Uhr elf gestern.
Gerda, vermiete mir Deine Abstellkammer. Ich muss hier weg. Ich will hier nicht mehr sein.
Eure Sue, traurig, irgendwie
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Montag, 12. November, 16:45 Uhr
Betreff: Adios, meine Lieben!
Liebe Sue und liebe Gerda!
Es ist schön, wenn man vermisst wird. So soll es sein – denkt an mich, so, wie ich es auch tue, öffnet die Briefe, die Ihr heute oder Anfang der Woche erhaltet und ich bitte Euch sehr, mein Angebot anzunehmen.
Wie Ihr wisst, habe ich kaum noch Familie, wie Ihr wisst, hat mich die Unruhe ergriffen, und wie Ihr nicht wisst, hat mich meine lang schwelende Krankheit einmal wieder gepackt.
Ich bleibe im Süden, die Wärme tut mir gut, und ich bekomme wirklich – macht Euch keinen Kopf – eine sehr gute, eine sehr liebevolle Pflege.
Vielleicht hören wir voneinander, vielleicht aber auch nicht mehr.
Lasst Euch herzlich umarmen, in Gedanken bei Euch in Deutschland, bei Euch ganz nah, Josefa
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Montag, 12. November, 23:00 Uhr
Betreff: Hilberich und Wurz
Nicht weinen, Sue,
weinen lohnt sich nicht. Auf die Schnelle, weil ich mir Zigaretten von der Tanke holen will. Die hat noch auf.
Du willst einen Mann. Hilberich ist immer noch abgetaucht. Also, ich meine, es wäre eher kein Mann für Dich. Oder Du machst vorübergehend auf Räuberbraut. Obwohl, besonders originell ist das auch nicht.
Ich schlage Dir den Herbert Wurz vor. Ich habe sogar eine feine Visitenkarte von ihm: (mindestens ein 280 Gramm Papierchen) Herbert Wurz – Ökonom, Philosoph und Märchenerzähler – Abraxas Gasse 42, 97922 Lauda. Mail:
[email protected] Ob der Mann verehelicht oder Ähnliches ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber nett war er. Kannst es einfach versuchen …
Im Dorf herrscht Aufregung. Natürlich hat sich die Sache mit Hilberich rumgesprochen. Die Leute sind verrückt, jetzt schließen alle ihre Türen ab. Einer stellte sogar eine Bisamrattenfalle auf. So ein Quatsch. Seit gestern Abend habe ich weder Brot noch Kaffee in den Garten gestellt. Nä. Wenn Hilberich zufälligerweise in meinem Garten gesehen wird, werden alle sagen, die Gerda, die steckt mit dem unter einer Decke.
Nä. Stecke ich nicht. Und ja, Dirk hat die Kartons beschlagnahmen lassen. Jetzt sind sie im Polizeibüro. Bin ich froh. Jedenfalls stehen sie da besser, und ich habe wieder Platz. Auch die Abstellkammer haben sie durchsucht, aber nichts gefunden. Den