Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
Kripomann, der ihm gut gesonnen war. Ich hab da was für dich, hatte er gesagt. Die zweite Tote. Der gleiche Typ. Die gleichen Male.
Im November dann die dritte, die noch nicht identifizierte.
Gestern Vormittag hatten Pit und er nur einen langen Blick ausgetauscht, als sie an der Krugkoppelbrücke standen. Keine Frage, dass sie nicht die Einzigen waren, die längst ahnten, dass die vier Frauen denselben Mörder hatten.
Doch Nick wollte es nicht auf die Spitze treiben. Sich nicht noch mehr einmischen. Selbst Pit schien nervös zu werden und hatte ihn gestern Vormittag vom Fundort gedrängt, als er weitere Fotos machen wollte.
Nick legte die Lupe auf den Schreibtisch und stand auf, um zum Fenster zu gehen. Der Himmel zerriss sich zwischen einem blassen Hellblau und dem drohend dunklen Grau der vergangenen Tage. Leo sei einen Tag in Berlin, hatte es in der Redaktion geheißen, als er eben dort angerufen hatte.
Sonst teilte sie ihm das vorher mit. Sie war auf dem Sprung. Weg von ihm. Nick spürte das.
Er ging zum Telefon und gab die Nummer ihres Handys ein.
Not available. Vorübergehend nicht erreichbar. Nick hasste Handys. Viel besser, in sich die Hoffnung zu nähren, der andere habe nur kein Telefon in der Nähe.
Nick hatte den Hörer gerade aufgelegt, als seines klingelte und er Anni Kocks Stimme hörte, die ihn nach Vera fragte.
Nein. Vera war nicht bei ihm. Was dachte Anni bloß.
»Ist ja nur wegen dem Mord in meinem Haus, dass ich so nervös bin«, sagte Anni.
Es klärte sich für Nick im nächsten Moment auf, dass sie von der Toten an der Brücke sprach.
»Kann ich zu dir kommen, Anni? Bist du bei Vera?«
Anni seufzte auf. Endlich einer, der wusste, was Not tat.
Wirklich schade, dass Vera sich damals nicht den Nick geschnappt hatte. Sie hätte es gerne gesehen.
Jef am Klavier. Die nackten Schultern, auf denen ein Streifen Sonne liegt. Die Locken, die lang in den Nacken fallen.
Auf dem Sofa sitzt Vera, nur ein Hemd von Jef auf dem Leib, und sieht ihn an, wie er da an seinem Klavier sitzt, und wartet auf den Streifen Sonne, der sie bald erreicht haben sollte.
This is not sometimes, spielt Jef, this is always, und Vera weiß nicht, warum sie das kaum glauben will. Vielleicht ist es doch nur die Angst, zu viel zu früh zu wollen. Vielleicht auch die Ahnung, dass diese Liebe wehtun wird.
Der Streifen Sonne ist bei Vera angekommen. Sie hält ihm ihr Gesicht entgegen. Sie wird ihn genießen.
Anni wird alt, dachte Nick. Auf einmal wird sie alt. Er saß am Küchentisch und sah in ihr sorgenvolles Gesicht. Wollte sie wirklich ein achtunddreißigjähriges Kind behüten?
»Wovor hast du Angst?«, fragte er und rührte im Kaffee.
»Ist noch Kuchen da«, sagte Anni, »vorgestern gebacken, aber Hefekuchen hält sich immer lange.« Sie stand auf und ging zum Kühlschrank. »Parmesan kannst du auch haben.«
Nick schüttelte den Kopf und schaute zu, wie sie den Kuchen von der Klarsichtfolie befreite und ein dickes Stück abschnitt.
»Und du?«, fragte er, als sie den Teller vor ihn stellte. »Hab heute Gegrummel im Magen.« »Der Mord«, sagte Nick.
»So eine junge Frau noch. Vielleicht so alt wie Vera.«
»Erzähl mir von deiner Nachbarin. Könnte sein, dass es da Ähnlichkeiten mit drei anderen Frauen gibt, die vermutlich vom selben Täter getötet wurden.«
Anni ließ sich in den Korbsessel fallen, der am Kopfende des Küchentisches stand. »Auch das noch«, sagte sie.
»Warum hast du Angst um Vera? Sie ist schon als Kind nicht brav an deiner Hand gegangen. Die passt auf sich auf.«
»Kannst du nicht wissen. Kennst sie doch erst zehn Jahre.«
»Elf«, sagte Nick. »Woher weißt du das von den drei anderen Frauen?«
»Ich bin seit dem ersten Mord an der Geschichte dran. Mit freundlicher Genehmigung der Kriminalpolizei.«
»Waren sie alle im gleichen Alter?«, fragte Anni.
»Ungefähr«, sagte Nick.
»Vera hat noch nie ein Händchen für Männer gehabt.«
»Aha«, sagte Nick, »das ist es also. Der neue Liebhaber, zu dem die Königin von Saba gestern Nacht noch ging.«
»Kennst du ihn?« Anni klang misstrauisch.
»Nein«, sagte Nick, »er ist Klavierspieler in einer Bar.«
Anni wischte diese Information mit einer Handbewegung beiseite. »Weiß ich doch«, sagte sie. »Was regt dich das auf? Willst du für Vera einen Arzt oder einen Anwalt? Ihr Vater war doch auch Künstler.«
»Gustav Lichte«, sagte Anni andächtig, »der war ein Herr.«
»Erzähl mir von deiner Nachbarin.«
»Ich hab
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