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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Komm, süßer Tod, sang sie. Dann knallte sie die Noten an einem heißen Sommertag in die Ecke und lief ins Leben hinaus.
    Nach Nizza lief sie. Da saß ihre gut erhaltene Mutter in einem Dachgarten am alten Blumenmarkt, mit einem ins Mosaik eingelassenen Pool, Meeresblick und leuchtend lila Bougainvilleas. Vor Jahren schon war Nelly Lichte bestens abgefunden worden von Gustav und noch immer nicht der jungen Franzosen müde, die ihr und dem Geld und der herrlichen Aussicht den Hof machten. An besonders klaren Tagen war das Cap Ferrat zum Greifen nah, und da hatte schließlich mal Curd Jürgens gelebt.
    Doch Mutter und Tochter enttäuschten einander wie schon immer. Nelly Lichte hatte keine natürlichen Instinkte dem eigenen Nachwuchs gegenüber, und Vera war zu verletzt von der mangelnden Mutterliebe, als dass sie nicht mit den jungen Franzosen geflirtet hätte, die sich im Haus aufhielten.
    Es war dann ein Italiener aus dem nahen Ventimiglia, der den Bruch herbeiführte. Den vorläufigen Bruch. Denn ihre Brüche hatten bislang immer noch eine letzte kleine Hoffnung auf Versöhnung gelassen. Doch die beiden schönen jungen Menschen so vereint in der Wäschekammer zu sehen, aus der Nelly eigentlich nur ihr gut gebügeltes Leinenkleid holen wollte, das war zu viel für eine Endvierzigerin, die ihr Leben zu sehr auf äußerlichen Qualitäten aufgebaut hatte.
    Der Ventimiglianer verließ ihr Haus noch in der Stunde ohne ein einziges Souvenir. Nicht einmal das neue Sakko aus so schlicht sommerlichem Material, wie Seersucker es ist, wurde ihm erlaubt mitzunehmen. Vera durfte ihre Koffer packen und auf den Rückruf des Reisebüros warten, das die Umbuchung vornahm, bevor sie auf dem Flughafen von Nizza stand. Sie hatte das Gefühl, zur Vollwaise geworden zu sein.
    Die großen Konstanten in ihrem Leben blieben Anni Kock und die Gema. Bis Leo dazukam.
    Leo nahm die Treppen. Eine tapfere Tat von ihr, denn vier Stockwerke eines Jugendstilhauses hatten eine andere Höhe als das lächerliche Fliesenteil aus den fünfziger Jahren, in dem sie lebte. Oben angekommen blieb Leo stehen, um Atem zu schöpfen, ehe sie an Veras Tür läutete. Aus der Nachbarwohnung drang Klavierspiel. Borstige Töne.
    Den Erzeuger dieser Töne hatte sie ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Erstaunlich, dass ein gut aussehender Mann eine so unangenehme Ausstrahlung haben konnte.
    Manchmal wurde ihr angst und bange, dass Vera neben diesem Knaben wohnte. Allein in acht Zimmern. Nun, das eine war nur ein halbes, Anni Kock wusch und bügelte darin. Doch gemütlich war das wirklich nicht zu nennen, die zu große Wohnung und dann Dracula nebenan.
    Leo läutete. Es wurde ihr aufgetan, ehe sie noch einmal tief durchgeatmet hatte. Anni stand in der Tür.
    »Gut, dass du kommst«, sagte sie, »Vera sitzt in der Wanne und singt traurige Lieder.«
    »Was ist los?«, fragte Leo.
    »Hat sich in einen Klavierspieler verguckt. Jetzt geht das ganze Gesinge wieder los. Dabei hatte sie es doch so gut in deiner Redaktion.«
    »Das ist Jahre her«, sagte Leo.
    »Kommt mir wie gestern vor«, sagte Anni Kock, »die schönen Geschichten, die ihr beide gemacht habt.«
    »Lass sie doch endlich rein«, sagte Vera, die jetzt in der Diele stand und die Enden eines Badetuches festhielt, in das sie sich geschlungen hatte.
    »Allein die von diesem Eros«, sagte Anni.
    Vera und Leo sahen sich an. Sollte Vera je eine Sinnkrise gehabt haben, dann bei dieser Schickimicki-Zeitschrift, für die Leo immer noch schrieb. Ein paar Jahre hatte Vera es ausgehalten, sich auf die Velourssofas der Hotelsuiten zu setzen, um von Showgrößen die immer gleichen Antworten auf die immer gleichen Fragen zu hören und dabei den glatten Lauf des Aufnahmegerätes im Auge zu haben.
    »Hast doch viel Spaß gehabt dabei, Verakind«, sagte Anni, »das sehe ich auf den Fotos.«
    In der Bügelkammer hingen die Belegfotos von Veras und Leos Tun. Anni hatte sie mit Nadeln auf die Tapete gesteckt. Velourssofas. Aufnahmegeräte. Showgrößen. Ihr lag viel an der Dokumentation der Karriere des Verakindes. Wenn sie auch nur vorübergehend gewesen war. Hatte sich Gustav Lichte um die Konstanten im Leben seiner Tochter gesorgt, dann war Anni Kock schon eher verzweifelt, dass Vera das Leben derart verströmen ließ. Bei all ihren Talenten.
    »Vielleicht legst du ein paar Hörnchen in den Backofen«, sagte Vera, »zum Kaffee. Ich dachte an ein kleines Frühstück.«
    Anni sah auf die Dugena an ihrem Handgelenk. Nach zwölf und

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