Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
lagen.
Perak hatte sie nicht gesehen. Nur die Stimme gehört.
Vera versuchte, sich zuzulächeln.
Engelenburg war in Holland. Ein Familienfest. Mit allen drei Söhnen.
Lebte eine Normalität, nach der Vera sich lange gesehnt hatte und die sie endlich in den Händen hielt und nicht loslassen würde.
Nichts durfte ihr diesen Frieden nehmen.
Vera drehte sich um, als sie Annis Gesicht neben ihrem im Spiegel sah.
»Du kommst auf Strümpfen geschlichen«, sagte Vera.
»Was ist los?«, fragte Anni.
Vera schüttelte den Kopf.
»Ich kenne dich schon dein ganzes Leben«, sagte Anni.
»Annilein«, sagte Vera, »alles ist gut.«
»Sei ehrlich zu mir«, sagte Anni leise. »Vielleicht ist es gar nicht wahr.«
»Was?«, fragte Anni.
»Dass Perak ums Haus schleicht«, sagte Vera.
Nick legte das Telefon auf den Lindentisch und griff nach der Jacke, die er über die Lehne des Stuhls geworfen hatte.
Kaum zehn Minuten brauchte er, um zu den drei Menschen zu kommen, die ihm die liebsten waren. Obwohl er stark hinkte, wie lange nicht mehr. Nicht nur das Wetter nahm Einfluss auf seine Knochen, auch für andere Kalamitäten schienen sie durchaus empfänglich.
Wenn ihm doch nur dieser Satz von Freund Hein aus dem Kopf ginge, der schon ums Haus schliche, doch noch nicht im Zimmer sei.
Wo hatte er den aufgeschnappt? In seiner Kindheit? Seine Mutter war eine Frau voller Düsternis gewesen. Die Gutenachtgeschichten, die er gehört hatte, waren Hausmärchen von deutschnationalen Dichtern.
Kein Wunder, dass er den Linken nahestand.
Doch etwas von der Neigung zur Düsternis hatte Nick abgekriegt.
Hatte nicht gleich etwas in ihm geklungen, als diese Klatschspaltenfotos auf seinen Bildschirm gekommen waren? Perak und die Hautevolee von Kapstadt. In all dem Glanz stand er für das Dunkle.
Er nahm Anni in die Arme, die ihm die Tür öffnete. Dann Vera, die aus Nicholas’ Zimmer kam. Der Kleine schlief.
»Das heißt doch gar nichts«, sagte er. »Selbst wenn Perak hier sein sollte, geht nicht zwangsläufig Gefahr von ihm aus. Er ist jahrelang therapiert worden. Die werden ihn nicht auf freien Fuß gesetzt haben, nur weil er gern mal nach Kapstadt wollte.«
Glaubte er, was er da sagte?
Tausend Fälle fielen ihm ein, in denen aus Therapierten wieder Täter geworden waren, obwohl ihnen Ärzte anderes attestiert hatten.
»Warum schleicht er dann ums Haus?«, fragte Anni.
»Heimweh«, sagte Nick.
Vera warf ihm einen ungnädigen Blick zu.
»Zieh es nicht ins Lächerliche«, sagte sie.
»Ich will nur die Atmosphäre entspannen«, sagte Nick.
Sie gingen in die Küche. Die weißen Ledersofas standen einsam in den großen Zimmern wie vor ihnen die Chaiselongue, die Jugendstilmöbel und das Esszimmer für zwölf Personen.
Vielleicht änderte sich was dar an, wenn der Kaminofen angekommen war. Die Ohrensessel gekauft. Kakao gekocht.
Doch jetzt setzten sie sich an den Küchentisch unter den Kronleuchter aus venezianischem Glas. Anni machte sich am Herd zu schaffen. Das Beste für ihre Nerven. Erdbeerkuchen hielt ja auch nicht lange vor.
Eigentlich hätte eine Hühnersuppe gut getan.
Anni guckte in den Kühlschrank. Ging dann zur Speisekammer.
»Du willst doch wohl nichts kochen«, sagte Vera.
Kehrte mit einem Stück Greyerzer und Schnittlauch zurück.
»Ein kleines Käseomelett«, sagte Anni.
Legte Greyerzer und Schnittlauch auf den Tresen und ließ sich in den Korbsessel fallen. »Habt ihr auch keinen Hunger?«, fragte sie.
Nein. Keiner hatte Hunger.
Veras Gedanken kreisten um Perak. Hatte er am Tor des Kindergartens gestanden? Wusste er von ihrem Kind?
»Du hättest ihnen heute Nachmittag von dem Kerl erzählen sollen«, sagte Anni, »vielleicht wären sie dann angespitzter gewesen.«
Sie war nicht zufrieden mit den jungen Frauen, die glaubten, einen Anspruch auf das Glück zu haben.
»Um welche Zeit steht er dort?«, fragte Nick.
Sie wussten es nicht. Die einzigen Zeugen waren die drei Kleinen und deren Aussagen waren alles andere als genau.
»Das ist nicht Perak, sagte Nick.
Er stand auf vom Küchentisch. Betrachtete nachdenklich das große Stück Käse auf dem Tresen.
»Du hast doch Hunger«, sagte Anni.
»Ihn interessiert nur Vera«, sagte Nick. »Wenn er es überhaupt war. Vielleicht war es auch nur Johnny Depp, der vor deiner Tür scharrte.«
»Den hätte Lennis Mutter erkannt«, sagte Vera.
Sie konnte schon wieder grinsen.
»Wir werden wachsam sein«, sagte Nick.
Das war schon einmal gesagt worden an
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