Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
Wintergarten zu sein.
Nick saß im Glashaus.
Die Girlanden von Lichterketten um die großen Fenster waren Veras Idee gewesen, obwohl sie gar nicht der verspielte Typ war.
In der Dämmerung des Maiabends ließen sie die Essecke in Nicks Küche zu einem Musikdampfer werden.
Nick hatte den guten alten Lindenholztisch gedeckt, der ihn durch das Leben begleitete. Zwei Gedecke. Er hatte gezögert, Vera einzuladen.
Dann zöge er sie wieder in einen Kriminalfall hinein.
Anni würde ihm den Kopf abdrehen.
Nein. Nicht länger Mord und Totschlag im Hause Lichte.
Hühnerbrüste auf Haut lagen im Backofen und dufteten nach Rosmarin und Behaglichkeit. Ein kleines Kartoffelgratin reichte er dazu. Der Herr Hauptkommissar sollte es gut haben.
Auch wenn der den erinnerungsbeladenen Stockschirm verbaselt hatte.
»Der Hintergrund dieser Einladung ist rein kulinarisch?«, fragte Pit, als er kurz nach halb neun vor Nicks Tür stand.
»Ich will dir auch was zeigen«, sagte Nick.
Die Bilder auf dem Monitor sahen aus, als ob sie nass geworden wären, so sehr hatte es geregnet auf Bimbi Bielfeldts Beerdigung.
»Ist mir gar nicht aufgefallen, dass du fotografiert hast«, sagte Pit.
»Aus der Jackentasche heraus«, sagte Nick, »mit der kleinen Pentax.«
Den mörderischen Blick des Bruders hatte Nick eingefangen. Den kunstledernen Mann. Die drei Frauen.
»Guck dir die mit dem rosa Knirps nochmal an«, sagte Nick. Pit guckte. Die Spannbreite des Knirps war zu klein. Die Schultern der Frau waren ganz nass geworden. Ihre Kleidung war kaum wetterfest zu nennen. Eine lange Strickjacke aus fluseliger Wolle.
»Siehst du sie nicht?«, fragte Nick. Er war ungeduldig.
Am Schalkragen der Jacke war eine kleine Brosche zu sehen.
»Du irrst dich«, sagte Pit, »die ist anders.«
Nick druckte das Foto aus und holte die Lupe, mit der er in vergangenen Zeiten die Kontaktbögen betrachtet hatte. Eine Zehnfach-Lupe. Keine mikroskopische Vergrößerung. Doch es war deutlich zu erkennen, dass es nicht die gleiche Brosche war. Tropfenförmig hingen die Perlen, statt rund und zu dritt nebeneinanderzuliegen.
Gernhardt ging allein zu dem Mann, der der Inhaber einer Firma für Gebäudereinigung war. Nick konnte ihn nicht begleiten. Er begutachtete die Fotos einer Wahlnacht. Lauter Gewinner, die ihren Wählern dankten und die Ergebnisse der Landtagswahl weggrinsten.
Eine Briefkastenfirma in Liechtenstein konnte kaum kleiner sein als die Firma des Karl Zwinglein.
Er saß in einem Zimmer von vielleicht acht Quadratmetern. Den Platz teilte er mit einer Palme und einem alten Schreibtisch aus schwerer Eiche. Gut, dass die Personalakten in eine Schachtel passten.
Kummers Bericht hatte nichts über das Ambiente ausgesagt. Auch nicht über das Äußere des Zwinglein. Nur, dass er ein komischer Vogel sei.
Kummer hatte einfach kein Herz für Details.
Zwingleins weißes Haar war schulterlang und mittelgescheitelt. Der schwarze Anzug dreiteilig. Eine schwarze Samtschleife war um einen hohen weißen Kragen gebunden. Steife Manschetten kamen hervor.
Das typische Bild eines Mannes, der Büros putzen ließ.
Zwischen Dandy und Prediger.
Als Zwinglein von der Gorska sprach, wurde sein Gesicht leidend.
Vier Jahre habe sie geputzt. Nur in diesem einen Bürohaus.
»Eine andere Schicht hat sie nicht gewollt«, sagte Zwinglein, »nur die von halb fünf bis halb neun.«
»Davon konnte sie leben?«
»Wir werden alle nicht wohlhabend mit dieser Arbeit.«
Nach dem Geschäftsräumchen zu urteilen, war Zwinglein längst verarmt, obwohl Anzug und Hemd teuer aussahen.
»Wissen Sie von weiteren Tätigkeiten der Frau Gorska?«
»Nein«, sagte Zwinglein, »wir führten keine privaten Gespräche. Ich nahm an, dass es jemanden gäbe, um den sie sich am Tage kümmerte.«
»Dann waren Sie auch nicht in Ihrer Wohnung?«
Zwinglein zog die Augenbrauen hoch. »Wie käme ich dazu«, sagte er, »Von einer tiefen Gläubigkeit ist mir leider auch nichts bekannt.«
Da hatte Kummer schon nachgefragt. Pit erinnerte sich. Er guckte auf die Schachtel, in der Zwingleins Personalakten waren.
Ob es sich wirklich lohnte, den Putztrupp näher zu betrachten?
»Gab es da Kontakte untereinander?«, fragte er.
»Kaum«, sagte er, »Frau Gorska hat immer allein gearbeitet.«
»Dass Sie ohne Computer auskommen«, sagte Pit. »Gerade in Ihrer Branche.« Er stand auf.
Karl Zwinglein geleitete ihn die anderthalb Schritte zur Tür.
Die Antwort blieb er dem Herrn Hauptkommissar schuldig. Er
Weitere Kostenlose Bücher