Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
aus.
Trotz des schlechten Frühlingswetters.
Vielleicht sollte er die Anley auf weißen Oleander ansprechen. Oleander hatte auch viel Vornehmheit.
Am Poelchaukamp gab es eine Weinhandlung, die neu zu sein schien. In der Papeterie kaufte er belgisches Briefpapier.
Sich schriftlich ankündigen bei Vera.
Den Gedanken hatte er schon verworfen, kaum dass er zu Hause ankam. Die Überraschung war die Chance.
Bartóks Bagatelle gelang ihm gar nicht schlecht.
Er durfte sich mit einem Glas Hine belohnen. Er hatte eine große Kiste Spirituosen von Kruizengas Delikatessen kommen lassen.
Perak blickte auf seine Armbanduhr. Gleich würde die Anley erscheinen und einen dienstbaren Geist vorstellen. Er legte Wert auf Ästhetik. Auch bei dienstbaren Geistern. Die mausezahnige Schwarze war eine Zumutung gewesen, wenn sie den Mund aufmachte.
Dass die Anley sich den Ton hatte gefallen lassen, gestern Abend.
Er musste aufpassen, nicht in alte Fallen zu tappen.
Doch vielleicht ergänzten sich Katja Anley und er ja gut.
Eine kleine Ablenkung, bis er Vera für sich gewonnen hätte.
»Das geht nicht mehr weiter so mit Beauty«, sagte Anni. »Sie erscheint, wann sie will, und oft genug gar nicht.«
Zu Gustavs Zeiten hatte die alte Sauerwein geputzt. Seit deren Dahinscheiden mochte Anni keine andere neben sich dulden.
Billie war eine Ausnahme gewesen, doch der war ja auch keine Frau.
»Wenn sie wenigstens mal den Mund aufmachte«, sagte Anni.
»Sie zeigt ihre Zähne nicht gern«, sagte Vera.
»Glaubst du, dass das der Grund ist?« Anni drehte sich um. Vera saß im großen Korbsessel am Küchentisch und las die Zeitung.
In einer halben Stunde würde sie den Kleinen aus dem Kindergarten abholen. Frau Wild hatte am Morgen nicht beruhigend auf Vera gewirkt, auch wenn Vera das anders an Anni weitergegeben hatte.
Dass die Kindergärtnerin so tat, als sei die Existenz des Mannes mit dem Hut noch gar nicht bewiesen, war wenig tröstlich. Diese Neigung von Verantwortlichen, alles herunterzuspielen. Die drei kleinen Jungen sagten die Wahrheit. Davon war Vera überzeugt.
»Wir sollten Lenni und Johann einladen«, sagte Anni, »mit ihren Müttern. Das Ganze mal bereden. Was meinst du?«
Vera legte die Zeitung weg. »Du kannst Gedanken lesen«, sagte sie.
»Dass dich das noch wundert«, sagte Anni.
»Ich werde es nachher mal in die Wege leiten«, sagte Vera.
Glaubte sie, dass am Tor des Kindergartens eine Gefahr lauerte?
In der Zeitung war ein kleiner Bericht von der Beerdigung. Auf dem Foto waren vor allem schwarze Schirme zu sehen. Doch sie hatte auch Nick in einer hinteren Reihe erkannt.
Vera stand auf. Viel zu träge war sie geworden. Nicht einmal das Gehen auf Stilettos trainierte sie noch. Dauernd trug sie Chucks. Kariert. Uni. Geblümt. Doch immer flachsohlig.
»Was machen wir nun mit Beauty?«, fragte Anni.
»Ihr noch eine Chance geben«, sagte Vera.
Als sie aus der Wohnung trat, um zum Kindergarten zu gehen, hielt sie die Tür einen Augenblick lang fest. Das Holz war längst wieder glatt und bestens lackiert. Keine Spur mehr von dem großen Schraubenzieher, den Perak damals in die Tür gestoßen hatte.
Philip Perak war viel zu oft in ihren Gedanken in diesen Tagen.
»Ein erstklassiges Metallgestänge«, sprach Nick ins Telefon, »und eine ergonomisch geformte Holzkrücke.«
»Hattest du ihn aus einem Sanitätsfachgeschäft?«, fragte Pit.
»Ein Erbstück meiner Mutter«, sagte Nick. Er schmollte.
»Tut mir ehrlich leid«, sagte der Herr Hauptkommissar. »Ich habe schon im ›Prinzess‹ angerufen. Es hat ihn wohl jemand mitgenommen.«
»Da hat er einen guten Griff getan«, sagte Nick.
»Ich kaufe dir einen neuen.«
»Hast du nachher Zeit, zu mir zu kommen?«
»Ich komme heute nicht dazu, einen neuen Schirm zu kaufen.«
»Den alten kannst du ohnehin nicht ersetzen«, sagte Nick.
»So wie früher?«, fragte Pit. »In deiner Küche sitzen und was essen?«
»Hast du das vermisst?«
»In deiner alten Wohnung warst du gastfreundlicher.«
»Ich habe jetzt eine größere Neigung zur Aushäusigkeit«, sagte Nick. »In den zwanzig Stunden im Paternosterschacht ist mir klar geworden, dass ich noch was will vom Leben.«
»Wer will das nicht«, sagte Pit und legte auf.
Nicks neue Wohnung war kaum größer als die in der Klinkerhütte.
Doch der lichte Neubau, in dem er nun lebte, war einer der kühneren architektonischen Versuche der ersten Jahre des neuen Jahrtausends.
Jede Wohnung schien ein einziger
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