Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
musste endlich etwas einfallen.
Alles war anders, seit ihm der Überraschungseffekt genommen war.
Vera stünde nicht starr vor Staunen, um ihn anzuhören. Vera würde ihn attackieren, ehe er zu Wort gekommen war.
Perak hatte nicht die Absicht, sich die Tür vor der Nase zuschlagen zu lassen. Gedemütigt davonzuschleichen.
Er musste Vera im freien Raum begegnen.
Er nahm kein Dessert. Setzte sich lieber in die Bar und bestellte einen Brandy Alexander. Diesen Geschmack von Brandy, Sahne, Muskat und Crème de Cacao zog er einer Süßspeise vor.
Die Kinder, die auf den Ledersitzen lümmelten, entsetzten ihn.
Ließ man Kinder in dieses Lokal? Abends um halb neun?
Hatte er da nicht längst im Bett liegen müssen, die mit Seife gebürsteten Hände auf der Bettdecke? Selbst wenn das helle Licht eines frühen Sommerabends durch die Leinenvorhänge schimmerte.
Seine Mutter war eine strenge Wärterin gewesen.
Zwei kleine Biester lümmelten vor seinen Augen. Vielleicht sechs Jahre alt. Er konnte schlecht schätzen. Kannte keine Kinder.
Die Eltern alberten an der Bar.
Kümmerten sich nicht um die Brut, die ihn zu belästigen drohte.
Perak hätte kotzen können.
Der Kleine auf Veras Balkon kam ihm in den Sinn.
Was hatte das Kind mit Vera zu tun?
Konnte das denn sein, dass es ihres war?
Vera, eine Mutter? War sie nicht viel zu mondän?
Das würde lästig sein, selbst wenn er ein Kind in Kauf nähme.
Philip Perak hob die Hand. Ließ den jungen Barkeeper herbeieilen. Bestellte einen zweiten Alexander.
Gebot, die Kinder zurechtzuweisen.
Der junge Keeper hob die Schultern. Perak hatte doch wenigstens ein kleines Zeichen des Einverständnisses erwartet.
Ein Containerschiff kam gerade an den Fenstern vorbei, als ihm der Gedanke in den Kopf geriet. Passte es nicht dazu, dass eines der Biester zu kreischen anfing, als ob es den Fliegenden Holländer sähe?
Vielleicht half ihm dieses Kind auf Veras Balkon, Vera gefügig zu machen. Vorausgesetzt, dass es tatsächlich das ihre war.
Keine Bisse. Katja Anley hatte die Wunden auf ihren Brüsten durch ihre Lupe betrachtet. Es sah aus, als habe er ihr sein Siegel aufgedrückt. Doch sie erinnerte sich nicht, dass Perak einen Ring getragen hätte. Er trug kaum Schmuck. Nur die Patek Philippe war ihr aufgefallen.
Das erstaunte sie. Ein eitler Mann wie er.
Katja Anley salbte die Stellen auf den Brüsten mit Bepanthen, legte Mullpads darauf und zog ein hochgeschlossenes Kleid an, obwohl es wärmer geworden war und sie eine Freundin des Dekolletés.
Die Tasche, die sie an jenem Abend dabeigehabt hatte, stand auf ihrem Frisiertisch. Er hatte sie noch an dem Tage von einem Kurier bringen lassen. Die teuren Stilettos fehlten.
Die Anley wusste noch immer nicht, was an diesem Abend wirklich geschehen war, doch sie dachte daran, ihn Rede und Antwort stehen zu lassen. Ihren ersten Impuls, ihm nie mehr begegnen zu wollen, hatte sie niedergekämpft. Sie suchte nur einen Vorwand, Kontakt aufzunehmen.
Der Vorwand kam mit dem Gärtner.
Die sechs Kübel weißen Oleander waren auszuliefern.
Der Gärtner bat um die Telefonnummer des Kunden. Katja Anley nahm die Ankündigung der Pflanzen in die eigene Hand.
Die ein wenig zitterte, als sie Peraks Nummer eintippte.
Er nahm das Gespräch gleich an. Das sprach dafür, dass sie ihn nicht beim Klavierspiel gestört hatte. Schmeichelte die Stimme nicht beinah?
Es tat gut zu wissen, dass er sich schämte. Anders konnte die Anley es kaum deuten, dass er Kreide gefressen zu haben schien.
Sie kündigte die Oleander an und empfahl ihm noch einen Essigbaum, dessen schirmartiger Wuchs behütend wirke.
Ganz abgesehen von der herrlichen Rotfärbung des Laubes im Herbst und der Unaufdringlichkeit dieses Gehölzes.
Philip Perak schwieg am anderen Ende der Leitung. Vielleicht staunte er nur über ihre Eloquenz nach dem Geschehenen.
Doch dann stimmte er dem Essigbaum zu.
Ob sie noch eine Terrassenbegehung wolle, um die weitere Begrünung zu planen? Der Tisch sei weggeschafft.
Katja Anley zuckte zusammen.
Ob es ihr um die Mooreiche leid tat oder sie daran dachte, dass sie auf diesem Tisch gelegen hatte, wurde ihr selbst nicht ganz klar.
Doch sie hatte noch die Traute, nach den Stilettos zu fragen.
»Sie sind sicher, die Schuhe nicht an den Füßen gehabt zu haben, als Sie das Haus verließen?«, erdreistete sich Perak.
Seine Laune kippte immer so schnell.
Die Anley sah zu ihren Füßen hinunter. Die in Mokassins aus weichem Elchleder steckten.
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