Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
fragte Kummer. Er steckte eine dicke schwarze Olive aus Kalamata in den Mund.
»Sag mir, warum es keine Fotos von der Gorska gibt«, sagte er.
»Vielleicht hat sie sich hässlich darauf gefunden«, sagte Gernhardt.
Er gab ein Zeichen, zwei weitere Ouzos zu bringen.
»Die Hausverwaltung will ihre Wohnung auflösen.«
»Haben wir darin noch irgendwas nicht gesucht?«, fragte Kummer.
»Was wird aus ihren Habseligkeiten?«, fragte Pit. »Weihwasserbecken. Kruzifix. Oder auch nur den Sekretär mit dem Krimskrams.«
»Vielleicht sollte sie doch katholisch unter die Erde kommen«, sagte Kummer, »vorsichtshalber.«
Pit guckte ihn an. »Du denkst, der liebe Gott passt auf, ob alle durch die richtige Tür reinkommen?«, fragte er.
»Ich denke, dass vielleicht doch Angehörige aus Polen kommen könnten, die ihre Gebeine ausgraben, um sie in gesegnete Erde zu legen.«
»Die Gorska kann sich nur eine Einäscherung leisten«, sagte Pit, »ob es für das Geld noch ein Reihengrab gibt, bezweifele ich.«
Da hatten sie dienstfrei und redeten über nichts anderes als den Beruf.
Gernhardt entschied, wenigstens Weinblätter dabei zu essen. Er hob die Hand und bekam die zwei weiteren Ouzo hingestellt. Dann lieber auch noch Brot zu den Weinblättern. Kummer wollte Auberginencreme. Feta. Die kleine Einkehr beim Griechen fing an, ein Gelage zu werden.
»Wohin ist sie an dem Morgen unterwegs gewesen«, sagte Pit. »Sitzt man um vier Uhr am Busbahnhof, wenn es keinen guten Grund dafür gibt?«
»Sie ist nirgends hingegangen«, sagte Jan Kummer. »Die Gorska ist von irgendwoher gekommen.«
»Und dann geht sie nicht nach Hause? Setzt sich stattdessen in ein Haltestellenhäuschen des Hamburger Verkehrsverbundes?«
Die Weinblätter kamen. Auberginencreme. Feta. Eine Karaffe Wasser. Der Wirt wollte wohl nicht, dass sie dehydrierten in der Sonne.
»Also was?«, fragte Jan Kummer.
»Den Mann in der Kunstlederjacke suchen gehen«, sagte Gernhardt, »und vielleicht doch die Verhuschte mit dem rosa Knirps. Die kannte keiner. Weder die Brüder Bielfeldt noch die Cousinen.«
»Und Zwinglein? Putzt das Personal aus der Schachtel in alle Ewigkeit weiter? Die kriegen doch Geld. Die müssen doch mal Kontakt zu ihrem Chef haben. Vielleicht hauen sie ihm schon die Tür ein.«
»Du glaubst noch an die Gebäudereinigung?«, fragte Gernhardt.
»Du nicht?«
»Nein«, sagte Gernhardt. »Das kann doch nur eine Scheinfirma sein.«
»Dann sollten wir Herrn Zwinglein ganz dringend suchen gehen.«
Der Herr Hauptkommissar nickte kauend.
»Vielleicht war Marta Gorska dort verabredet«, sagte er, nachdem er das Stück Brot gegessen hatte. »Ist doch ein diskreter Ort für eine Übergabe, so ein Haltestellenhäuschen.«
Der letzte Satz, den er für heute in dieser Sache gesprochen hatte. Dora erschien am Rand des Bildes und winkte ihnen zu.
Der zweite Abend, an dem Nick nicht erreichbar war. Weder zu Hause noch in der Redaktion. Hatte er vergessen, dass es ein Krebseessen geben sollte? Vera hatte vor, mit ihm zum Hafen zu fahren. Vielleicht schon mal auf einen Happs bei Hummer Pedersen einzukehren.
Pedersen war einer der besten Fischhändler Hamburgs. Wenn sie mit Engelenburg führe, wollte er wahrscheinlich den Laden kaufen und nicht nur hundertzwanzig Krebse mittlerer Größe.
Vera wollte mit Nick fahren. Von ihm hören, warum er nie zu Hause war.
Hören, wer die Dame war. Wie viel sie wog. Was sie für Absichten hatte.
Konnte es denn sein, dass sie von Eifersucht heimgesucht wurde, wo sie doch Jan gerade ein Liebesversprechen gegeben hatte?
Betrachtete sie Nick als ihr Eigentum, das verfügbar blieb?
Vera stand vor dem Spiegel im vorderen Flur und betrachtete sich.
Die Zeit lief weg. Jedes Jahr schien schneller zu vergehen als das vorige. Wo waren die endlosen Sommer ihrer Kindheit?
Die Tage wurden schon wieder kürzer.
Sie sollte Windlichter besorgen für den Sylter Tisch.
Vielleicht war sie keine Frau für eine feste Beziehung. Hatte doch zu viele Gene von Nelly in sich, der Erfinderin der Promiskuität.
Vera schüttelte den Kopf, dass sich das hochgesteckte Haar löste.
Den letzten Sex hatte sie mit Hauke gehabt. Das war lange her.
Wer wusste denn schon, ob es mit Jef gutgegangen wäre.
Ihre lebenslange Beziehung war Anni. Und natürlich Nicholas.
Ob Perak sich zurückgezogen hatte?
Keiner von ihnen hatte Philip Perak nochmal vor dem Haus stehen sehen. Das hatten sie wohl hinter sich. Doch was kam dann?
War die Gefahr
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