Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
wurde.
Die Straßen, durch die sie lief, waren leer. Backsteinhäuser hinter Vorgärten. Vielleicht standen Menschen hinter den Gardinen der Backsteinhausfenster.
Sich dem Mann anvertrauen, der Bimbis Mann gewesen war.
Auf der Beerdigung hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen. Gedacht, dass er einer sei, dem sie sich anvertrauen konnte. Würde er es nicht auch wissen wollen?
Bimbi hatte Glück gehabt, einen wie ihn zu finden. Nach allem.
War das dumm, Bimbi und das Glück in einen Zusammenhang zu bringen, nachdem Bimbi als Erste von ihnen getötet worden war?
Das schmiedeeiserne Gartentor.
Sie stand vor der Tür und guckte auf das Schild aus Messing.
Bimbi und Kurt Bielfeldt. Sie drückte auf den Klingelknopf. Die Klingel klang kräftig. Kaum zu überhören.
Sie stand lange da und wartete. Hörte der Klingel zu, auf deren Knopf sie den Finger hielt.
Erst nach einer Weile gestand sie sich den Fehlschlag ein. All den Mut zusammengenommen. Für Nichts.
Der dünne Herr Bielfeldt hätte es bequemer haben können. Doch er lebte noch immer hinter der Werkstatt. Kochte den Inhalt von Konserven auf der einen Platte. Löffelte Eintöpfe und trank aus Bierflaschen.
Das Leben war laut. Die Züge fuhren über die Sternbrücke zum Bahnhof Altona. Die Autos hupten. Nachts grölten die Betrunkenen.
Er hätte die Stille in der Backsteinhausstraße nicht ausgehalten.
Lud Bielfeldt brauchte die kleine schäbige Variante der Unbürgerlichkeit, um an seinem Plan zu arbeiten. Bimbi rächen.
Er war zum Grab seiner Schwägerin gefahren und hatte vor dem Erdhügel gestanden, auf dem die Kränze welkten. Hatte das Gefühl gehabt, vom Grab aus ihre Wege zurückverfolgen zu müssen.
Saß an der Alten Wöhr im Haltestellenhäuschen und guckte den Bussen nach. Dachte an die Nacht, in der Bimbi da gesessen hatte.
Er versäumte es, zwei Rasierer und eine Alarmanlage zu reparieren.
Die Kunden waren verärgert gewesen.
Immer wieder fuhr er mit der U-Bahn nach Barmbek, in der er Bimbi und den Kerl in der Kunstlederjacke getroffen hatte.
Abends hinter der Werkstatt starrte er in eine leere Kladde, in der er seine Erkenntnisse hatte schreiben wollen, und dachte daran, wie er und sein Bruder ein Detektivbüro betrieben hatten.
Da waren sie zehn und acht Jahre alt gewesen.
Vielleicht war Lud Bielfeldt kein Detektiv und kein Rächer. Vielleicht versuchte er nur, die Trauer zu bewältigen.
Jan van Engelenburg hatte Schollen von Husum mitgebracht. Die gab es nicht in Haukes Weinhandlung. Doch bei einem Freund von Hauke, der sie in der Nordsee gefischt hatte.
Anni wendete die Schollen in Mehl und stellte zwei große Pfannen für die Fische und zwei kleine auf den Herd. In die eine kleine Pfanne kamen die Fischstäbchen. In die andere die Speckwürfel. Scholle Finkenwerder Art.
Vera und Engelenburg standen im einstigen Esszimmer und betrachteten den Kaminofen. Edelstahl. Dänisch.
Die dicken Holzscheite lagen schon unten im Fach.
Genügend Abstellfläche für Kakaokannen und Bratäpfel.
Die Vorbereitung für den Herbst war getroffen. Wäre zu hoffen, dass jetzt der Sommer käme.
»Werteste Anni«, sagte Engelenburg, als sie am Küchentisch saßen, »ich bitte Sie, mir das Du anzubieten.«
Er hatte nicht nur Schollen gebracht, auch einen Cortese aus Gavi, den er im Husumer Laden anbot.
Der war in dem Glas, das er jetzt hob.
»Wollt ihr euch nicht mal erst duzen?«, fragte Anni.
Hatten die beiden derart kursive Sätze gesprochen, dass davon noch nichts zu hören gewesen war?
»Ist längst passiert«, sagte Vera.
»Längst?«, fragte Anni.
Der Kleine hatte schon vier Fischstäbchen verdrückt, ehe sie das geklärt hatten. Anni schätzte es nicht, wenn was an ihr vorbeiging.
Nach drei Schollen, sechs Fischstäbchen, einem großen grünen Salat und einer Flasche Gavi duzten sich alle. Eigentlich ein Idyll.
Vera dachte, dass Nick fehle.
Perak legte einen leichten Anzug aus grauer Seide an und ließ eine Limousine vorfahren. Das hieß, er bestellte ein Taxi. Den Mercedes der E-Klasse, der vorfuhr, konnte er gerade noch akzeptieren.
Er ließ sich an die Elbe fahren und kehrte ins »Indochine« ein.
Ein frühes Abendessen. Die Elbe lag im rötlichen Licht.
Die hohe Fensterfront und das Wasser vor den Fenstern erinnerten ihn an Restaurants in Kapstadt und an die Waterfront. Die Statuen von Buddha, die modernen Ledersofas, die Loungemusik. Er wählte Jakobsmuscheln aus dem Wok mit Bleichsellerie und blickte auf den Fluss. Ihm
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