Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
den großen Perlmuttlöffel in den Kaviar, um ihr aufzutun.
Die weißen Tellerchen hatte sie gekauft. Den großen und die kleinen Löffel aus Perlmutt kannte sie nicht.
»Ein wenig Toast?«, fragte er.
Die Anley nickte. Hatte den Mund voll von Kaviarperlen, die sie mit der Zunge gegen den Gaumen drückte. Sie dort sanft platzen ließ.
Perak ging in die Küche, den Toast zu holen.
Sie sah sich hastig um, als ob sie nach einer Peitsche suche, die er bereitgelegt habe, um sie auf ihr tanzen zu lassen.
Auf dem Klavier lagen Notenblätter. »Introitus« las sie.
Hörte ihn in der Küche hantieren. Schenkte sich schnell noch einmal vom Champagner ein. Trank hastig.
Er trat ein. Einen silbernen Korb in der Hand. Eine Stoffserviette darin, in der die Toastscheiben warm und geborgen lagen.
Sie setzten sich auf die Terrasse. Tafelten im Licht der letzten Sonne.
Eine Flasche Chevalier-Montrachet öffnete er. Weißwein aus dem Burgund. Öffnete bald eine zweite Flasche Burgunder.
Eine dritte gab es nicht.
Vorbei das behutsame Trinken. Er sah ein, sie brauchte Mut. Die Sonne war schon untergegangen, als er sich an den Flügel setzte.
»Introitus«, sagte er, »eigentlich der Chorgesang beim Einzug des Priesters. Ich spiele es für Klavier.«
Katja Anley setzte sich auf eine der Kunststoffschalen.
Bereit, es über sich ergehen zu lassen.
Perak begann zu spielen. »Der Name der Rose« fiel ihr ein.
Jäh brach das Spiel ab. Er stand auf.
»Introitus hat auch eine anatomische Bedeutung«, sagte er, »vor allem den Gynäkologen vertraut. Der Eingang der Scheide.« Perak nahm eines der Perlmuttlöffelchen.
Die Sonnenblumen lagen auf Pits Schoß, als er dem Priester lauschte. Dora hatte nicht nur für die Blumen gesorgt, auch für das Zeremoniell. Das ging weit darüber hinaus, was ein Beamter der Kriminalpolizei und dessen Lebensgefährtin tun mussten. Doch Pit hatte gedacht, es Anna Forsbjerg schuldig zu sein, deren Familie bereitwillig das Grab für das einstige Kindermädchen geöffnet hatte.
Überraschend, dass keiner von ihnen anwesend war, um selbst auf die Särge zu gucken, die sich bereits im Grab befanden. Vielleicht hatte Pit auf Anna gehofft, die von Mailand einflog, auf dem Weg nach Stockholm.
Doch es waren nur Kummer und er da. Kein anderer.
Außer dem Priester. Das Orgelspiel kam vom Band.
Kein Zwinglein, der Marta Gorskas Arbeitgeber gewesen war.
Für welche Arbeit auch immer.
Die kleinste Kapelle des Friedhofes.
Vierzig Plätze, von denen sie zwei besetzten.
Die kurze Zeitungsmeldung von der Beerdigung des zweiten Opfers der Haltestellenmorde hatte wohl keiner gelesen.
Hatten Kummer und er wirklich geglaubt, Zwinglein locken zu können?
Gebete, die sie mit dem Priester sprachen. Keiner, der etwas zu Marta Gorskas Leben sagte. Sie wussten zu wenig.
Zwei Schaufeln Erde auf den Sarg der Gorska. Weiße Chrysanthemen der Familie Cordes hatten daraufgelegen.
Gernhardt warf die Sonnenblumen hinterher.
Dann fuhr Kummer zurück ins Präsidium und Pit in die Eulenstraße.
Morgen würde die Wohnung der Gorska geräumt werden.
Pit sah aus dem Fenster. Der freundliche alte Grieche lud das Kruzifix der Gorska in den Kleintransporter, der vor dem Haus in der Eulenstraße stand. Was Dora in die Hand nahm, klappte. Falls es noch jemanden aus der Familie der Marta Gorska geben sollte, der auf das schwere Kreuz aus Eichenholz Anspruch erhob, würde die kleine griechische Gemeinde im Holsteinischen es wieder zur Verfügung stellen.
Das Weihwassergefäß aus weißem Porzellan schlug Pit in ein Tuch ein, das er in der Küche fand und legte es in eine der Tüten von Aldi.
Den verknoteten Rosenkranz tat er dazu. Auch das Heiligenbildchen.
Die Plakette des Christophorus. Das Weihrauchkesselchen, das er für eine Teebüchse gehalten hatte.
Beweisstücke, dachte Pit, die er in seinem Büro aufbewahren würde. Vielleicht war das auch nur eine seiner sentimentalen Anwandlungen.
Was sollte aus der alten Standuhr im Keller werden? Sperrmüll?
Er sah sich noch einmal um, in der Wohnung. Hatten sie aus ihr alles herausgelesen, was sie an Erkenntnissen hergeben wollte?
Die Spurensicherung war schon am ersten Tag hier gewesen. Bevor Kummer und er alles angefasst hatten.
Ein letzter Blick in die Wohnung von Marta Gorska. Dann zog Pit die Tür hinter sich zu und ging in den Keller.
Die Zeituhr des Lichtschalters tickte und wollte ihn zur Eile antreiben. Doch diesmal war er gewappnet. Er tastete nach der kleinen
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