Verbannt
Clint und reichte mir sein Lieblingssweatshirt. Er betrachtete es mit Besitzerstolz, als ich es über mein Hemd zog.
„Hast du noch ein zweites Paar Socken für mich?“, fragte ich.
Er nickte und holte uns beiden jeweils noch ein Paar. Schweigend zogen wir uns methodisch an. Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Hatte er so immer ausgesehen, wenn er seine Pilotenuniform angezogen hatte und in das Cockpit seines Kampfjets geklettert war? Hatte er bei Desert Storm mitgekämpft? Seine Miene war ernst, aber gelassen, ihn schien nichts erschüttern zu können, als wäre er es gewohnt, in die Schlacht zu ziehen. Es gab so vieles über ihn, das ich nicht wusste – und so vieles, das ich gerne noch entdecken würde.
„Ich möchte, dass du einen meiner Mäntel anziehst.“ Er zog zwei dicke, daunengefütterte Skijacken aus dem Schrank. „Du wirst viel Bewegungsspielraum brauchen.“
Er reichte mir einen der Mäntel, dann streckte er die Hand zum obersten Regalbrett aus und nahm etwas Dunkles, Schweres herunter. Ich hörte ein Klicken, als er das Magazin in die Pistole steckte.
Er spürte meinen Blick und drehte sich langsam zu mir um.
„Versprich mir, dass du es nicht tun wirst“, sagte ich mit steinerner Miene.
Er zögerte, suchte meinen Blick.
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn du sie tötest.“ Allein der Gedanke daran brachte mich so in Aufruhr, dass mein Herz aus der Brust zu springen drohte.
„Ich schwöre, dass ich ihr Blut nicht vergießen werde.“ Seine Stimme hatte einen seltsamen Singsang angenommen, als würde er einen Zauberspruch aufsagen. Die Luft um uns schillerte, und für einen Moment spürte ich eine Präsenz wie das Schlagen von Kolibriflügeln.
„Danke, Clint“, sagte ich ernst.
„Zieh dich an, und dann lass uns gehen.“
Die Waffe passte in ein schwarzes Nylonholster, das an einem Gürtel baumelte. Den schlang Clint sich mit einer geschmeidigen Bewegung um die Hüfte, die mir sagte, dass er nicht das erste Mal in seinem Leben eine Waffe trug.
Ich schloss den Reißverschluss meines Mantels und zog Mütze und Handschuhe an. „Fertig“, sagte ich. Meine Stimme klang zu laut.
„Denk daran, ich werde dich immer lieben, mein Shannon-Mädchen. Egal, wo du bist.“
Sein Kuss war hart. Dann öffnete Clint die Tür, und wir traten in die tödliche Stille des Morgens hinaus.
Durch den tiefen Schnee zu gehen fühlte sich an, wie durch Wasser zu waten. Aus den dicken, an Baumwolle erinnernden Flocken waren piksende Nadeln aus Eis und Schnee geworden. Es war vollkommen windstill, und bald bedeckten die eisigen Kristalle Mützen und Mäntel mit einem glatten Film. Ich war erleichtert, als wir in den Schutz des Waldes traten. Die großen, ineinandergreifenden Äste der blattlosen Bäume dienten als Baldachin, der uns vor dem Schlimmsten bewahrte.
Erleichterung spülte wie eine Welle über mich hinweg, als das ätherische Echo der Willkommensgrüße anhob.
Wir grüßen dich, Geliebte der Göttin!
Heil dir, Eponal
Willkommen, Auserwählte.
Der Weg wurde breiter, und ich konnte neben Clint gehen. Ich hakte mich bei ihm unter.
„Kannst du sie auch hören?“
„Nein.“
Er hielt einen Zweig beiseite, damit er mir nicht ins Gesicht schnellte. Ich ließ meine Finger über einen Baumstamm gleiten. Wie schön es war, die von ihm ausgehende Wärme durch die Handschuhe in meine Fingerspitzen fließen zu spüren.
„Der Wald spricht zu mir nicht so wie zu dir“, erklärte Clint.
Wir hatten einen langen Weg vor uns, und die Neugierde nagte fürchterlich an mir. „Clint, du hast mir erzählt, dass du schon immer den Wald und das Zelten darin und so gemocht hast.“ Igitt, dachte ich. „Aber du hast mir nicht erzählt, wie es kommt, dass du so im Einklang mit dem Wald bist. Wie hast du herausgefunden, dass du Energie aus den Bäumen ziehen kannst, wenn sie doch nicht mit dir reden?“
Clint atmete tief ein. Er wirkte mit einem Mal steif und in Gedanken weit weg. Ich ließ seinen Arm los, drückte seine Hand und zog flehentlich an ihr. „Bitte, erzähl es mir. Ich muss es verstehen.“
Er atmete noch einmal tief ein und erwiderte dann endlich den Druck meiner Hand.
„Shannon-Mädchen, das ist ein Thema, über das ich nicht gerne spreche, aber vielleicht musst du es wirklich erfahren.“
Ich schaute ihn nur unter erhobenen Augenbrauen an, weil ich Angst hatte, er könnte es sich noch einmal überlegen, wenn ich zu viel sagte.
„Nach meinem Unfall lag ich ungefähr sechs
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