Verbannt
schnappte, sah ich, dass Clint mich eindringlich musterte.
„Was?“, nuschelte ich und nahm dann schnell einen Schluck Tee, um meinen Mund auszuspülen.
„Ich frage mich, ob du jemals wissen wirst, wie glücklich du mich letzte Nacht gemacht hast.“ Er hielt inne. Der intensive Blick wurde weicher, und auf seinem Gesicht erschien ein jungenhaftes Grinsen. „Und heute Morgen.“
„Ich ...“, fing ich an, ihn an unsere reale Situation zu erinnern; daran, dass ich immer noch nach Partholon und zu ClanFintan zurückkehren würde, aber ich konnte die Worte nicht aussprechen. Ich wusste nicht, was mit ihm passieren würde, nachdem ich ihn verlassen hätte. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken. Ich wusste nur, dass ich ihn in der Zeit, die uns noch blieb, glücklich machen wollte.
„Das freut mich“, flüsterte ich.
Er streckte einen Arm aus und nahm meine Hand. Mit einer leichten Drehung führte er sie an seine Lippen, sodass er den Punkt küssen konnte, an dem mein Puls wie wild unter der Haut schlug. Einen Moment sah ich die schmerzhafte Spiegelung der Realität in seinen Augen, dann zog ich ihn an mich und küsste seine sinnlichen Lippen.
Er weiß es.
Die Worte sanken langsam in meinen Kopf, und mich überkam das unerwartete Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Ich wollte schreien: DANN HILF IHM! MACH, DASS ER MICH NICHT LIEBT! Ich wusste aber, dass das nicht ging, und in einem Teil meines Geistes erkannte ich, dass ich nicht wollte, dass er sich veränderte. Ich wollte seine Liebe.
Vielleicht war ich auf eine gewisse Art genauso egoistisch wie Rhiannon.
„Du bist dran“, flötete ich und zwang meine Gedanken in eine andere Richtung. Bevor er sich widersetzen konnte, schob ich ihn auf das Badezimmer zu. „Ich packe auch nichts weg. Ich wasche und trockne nur das Geschirr ab und lass es hier unsortiert stehen. Mach dir also keine Sorgen.“ Ich gab ihm einen finalen kleinen Schubs. „Du kannst danach immer noch hinter mir aufräumen.“ Mit einem unterdrückten Lachen verschwand er durch die Tür.
Unter normalen Umständen macht es mir keinen Spaß, Geschirr abzuwaschen. Seien wir ehrlich, der Vierundzwanzig-Stunden-Service ist eines der Dinge, die das Leben als Inkarnation einer Göttin in Partholon so angenehm machen. An diesem Morgen genoss ich das alltägliche häusliche Ritual jedoch. Ich mochte es, die Reste von den Tellern zu schaben und diese dann in das Seifenwasser zu tauchen (Clint musste auch ein Mitglied der Anti-Geschirrspülmaschinen-Sekte sein, die außer ihm und meinen Eltern aber nicht sehr viele Mitglieder haben konnte). Meine Worte an ihn ignorierend, stapelte ich das Geschirr und die Pfannen fein säuberlich auf der Arbeitsplatte. Dann brachte mich mein Geruchssinn auf die Spur des Mülleimers.
„Igitt. Das stinkt, als wäre da irgendwas drin gestorben, und zwar schon letzte Woche.“ Ich hielt den Atem an und band den weißen Beutel zu. Dann zog ich ihn aus dem Mülleimer und ging schnell zur Tür, wo ich in Clints riesige Stiefel schlüpfte. „Ich stell dich einfach nur an den Fuß der Treppe und lass Clint den Rest übernehmen“, teilte ich dem stinkenden Plastikbeutel mit, während ich die Tür öffnete.
In dem Moment, als ich aus dem Haus trat, wurde mein Körper völlig ruhig. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Die Zusammensetzung der Luft schien sich verändert zu haben. Ja, es schneite immer noch, sogar stärker als vorher, aber es war nicht das Weiß, das mich so befremdete, sondern seine Intensität. Wo der Wald zuvor wie für eine Galaveranstaltung gekleidet gewirkt hatte, war aus der Schneeschicht heute ein Leichentuch geworden, über das Gesicht des Todes gezogen.
Ich ließ den Beutel fallen und stolperte hastig zur Baumlinie. Meine Hände gegen die Rinde des ersten Stamms pressend, ein mittelgroßer Zürgelbaum, schloss ich die Augen und konzentrierte mich.
„Was ist passiert“, flüsterte ich ernst.
Das Böse kommt, Geliebte der Göttin.
Die Stimme des Baumes klang angestrengt und weit entfernt.
„Ist es schon hier?“ Ich schaute mich hektisch um, spürte, wie die Haut in meinem Nacken zu kribbeln anfing.
Es hat den Wald betreten. Sie ruft es.
„Sie!“, rief ich. „Du meinst diejenige, die Eponas Willen pervertiert?“
Jetzt klang die Stimme des Baumes fester: Ja, Auserwählte.
„Wo ist sie jetzt?“
Auf der heiligen Lichtung.
„Danke.“ Ich tätschelte die Rinde und versuchte das nervöse Summen in meinem Magen zu
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