Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
einen
der beiden Burgtürme wie eine leere Milchtüte zusammen. „Zuerst war es ja noch
ganz nett da draußen im Park – zwar etwas frisch, aber es steht nun mal nicht
jedem eine Rumpelkammer zur Verfügung.“ Sie starrte mich einen Moment lang
durchdringend an, und als ich nicht reagierte, fuhr sie mürrisch fort: „Doch
dann wurde der Kerl irgendwie ganz merkwürdig und wollte, dass ich mit seinen
Energiebällen spiele, oder was auch immer …“
Ich
überspielte mein Lachen mit einem gekünstelten Husten und konzentrierte mich
darauf, die Kisten voller Burgteile zuzukleben. Die Leiterin des
Dekorationskomitees hatte uns heute Morgen eröffnet, unsere Gestaltung des
Ballsaals hätte so viel Eindruck gemacht, dass man die Kulissen unbedingt für
künftige Veranstaltungen aufbewahren müsse. Die Leute, von denen das ganze Zeug
aufgestellt worden war, hatten offenbar gestreikt; deshalb waren wir dazu
verdonnert worden, direkt nach der Schule zum Palais zu fahren und die
Dekoration fein säuberlich zu verpacken. Als wäre diese Aufgabe nicht schon
unangenehm genug gewesen, hatte Jinxy in ihrer typischen Taktlosigkeit Sam dazu
überredet, uns beim Abbau zu helfen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie ihm
leider auch gleich einen Wink gegeben, dass ich mich auf dem Ball mit Rasmus
versöhnt hatte. Sam benahm sich mir gegenüber betont unbeschwert, und Jinxy
nahm das als Zeichen dafür, dass er sich nun „ein nettes Plätzchen in der
Freundschaftszone“ sichern wollte. Trotzdem war es mir etwas unangenehm, in seiner
Nähe zu sein, nachdem ich ihn am Abend zuvor einfach im Stich gelassen hatte.
Außerdem
sehnte ich das Ende dieser Arbeit herbei, weil ich anschließend mit Rasmus
verabredet war. Nachdem er mich am frühen Morgen zu Hause abgesetzt hatte, war
er selbst heimgefahren und hatte dort anscheinend den ganzen Schultag
verschlafen. Jetzt konnte ich es kaum mehr erwarten, ihn wiederzusehen.
Wie
elektrisiert zuckte ich zusammen, als mein Handy den Empfang einer SMS meldete. „ Er schreibt: ‚ Ich sitze in dem kleinen italienischen Restaurant
gleich am oberen Ende der Allee‘ “, las ich vor, als Jinxy mich gespannt
anstarrte.
„Uh,
sexy.“
„Weil
…?“
„Na
ja, dieses ‚ ich sitze‘ .Und worauf sitzt er? Na?“
„Ich
gebe ihm Bescheid, dass ich in zehn Minuten da bin“, antwortete ich ungerührt
und tippte eine knappe Nachricht in mein Handy.
„Wie
öde“, bemerkte Jinxy vorwurfsvoll. „Du solltest ihm zeigen, dass sich die Dinge
ganz in deinem Sinne entwickeln. Schreib wenigstens: ‚ Ich freue mich auf
dich‘ – nein, warte!“, fiel sie mir in den Arm, als ich gerade auf SENDEN
drücken wollte und sie sich offenbar einbildete, dass ich ihrem Rat gefolgt
war. „Damit machst du es ihm zu einfach. Schreib lieber: ‚ Ich freue mich auf
dich, so wie ich mich auf all meine Verabredungen freue‘. “
„Das
ergibt doch keinen Sinn.“
„Umso
besser, geheimnisvolle Frauen sind sicher sein Ding.“
Ich
schüttelte bloß den Kopf und schickte die SMS ab, während Jinxy mich noch zu
überreden versuchte, Rasmus zumindest ein xoxo zukommen zu lassen. Sie
hörte erst auf zu quengeln, als die Leiterin des Dekorationskomitees an uns
herantrat und in ihrem gewohnt herrischen Tonfall sagte: „Ich danke Ihnen für
Ihre tatkräftige Unterstützung. Jetzt, da alles verpackt ist, wären Sie bitte
noch so nett, die Kisten ordentlich zu beschriften und ins Foyer
hinunterzutragen?“
Ohne
eine Antwort abzuwarten, marschierte die Lehrerin weiter zu ihren nächsten
Opfern, während mir meine Freundin ins Ohr raunte: „Wenn du ihm schreibst, dass
du auf keinen Fall in zehn Minuten bei ihm sein wirst, schickst du ihm
dann wenigstens ein kleines Küsschen zum Trost?“
„Jinxy!“,
sagte ich flehend.
Sie
machte eine gnädige Handbewegung. „Na meinetwegen, du kannst abhauen. Sam und
ich erledigen das schon und schauen dann auf einen Sprung bei euch vorbei.“
Ein
weiterer Punkt auf der Liste von Dingen, für die ich Sam etwas schuldig war.
Während ich meine Sachen zusammenpackte, warf ich einige Blicke zu ihm hinüber,
doch als er das bemerkte, holte er hastig sein Handy heraus und gab vor, in irgendein
Spiel vertieft zu sein. Also sagte ich nichts – vielleicht war es ja besser,
ihm ein bisschen Zeit zu lassen. Im Vorbeigehen fuhr ich Jinxy mit einer Hand
durch die Zöpfchen, dann huschte ich hinter dem Rücken der Lehrerin aus dem
Ballsaal.
Die
Allee, an deren Ende sich das italienische
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