Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
Wärme war aus meinem Körper
verschwunden. Schaudernd zog ich die Knie eng an den Körper und rieb über meine
bloßen Arme, doch da hatte sich Rasmus bereits zur Seite gelehnt und zwischen
dem Gerümpel neben unserem Tischtuchlager einen zerschlissenen, dunkelroten
Samtvorhang hervorgezogen. Ohne viel Aufheben warf er mir das staubige Ding
über die Knie.
„Sonst
noch irgendwelche Wünsche, die ich dir erfüllen könnte?“, fragte er beiläufig.
„Ich bin gerade so schön im Schwung.“
„Ähm,
nein danke. Jetzt bin ich rundum versorgt“, wehrte ich ab, und es stimmte:
Unter dem dicken Vorhangstoff – und mit Rasmus‘ warmem Körper dicht neben mir –
war es so bequem, dass sich eine wohlige Schläfrigkeit in mir breitmachte. Ich
rutschte in eine halb liegende Position, bettete meinen Kopf auf einige
aufgetürmte Tischtücher und blinzelte müde in das Licht, das die nackte
Glühbirne direkt über uns ausstrahlte.
„Wie
spät ist es eigentlich?“, erkundigte ich mich träge.
„Bald
Mitternacht“, antwortete Rasmus und lehnte sich ebenfalls zurück. Seine Stimme
klang irgendwie verändert – gedämpfter, ein bisschen sanfter vielleicht, aber
wahrscheinlich bildete ich mir das bloß ein. „Deinetwegen verpasse ich jetzt
die Preisverleihung.“
„Ihr
Jungs habt entschieden sehr merkwürdige Vorstellungen von Bällen.“
„Wie
sollte es auch anders sein, das ist schließlich mein erstes Mal“, sagte er
achselzuckend.
Ich
fuhr mir mit dem Handrücken über die schweren Lider. „Du hast also bisher noch
keinen Galilei-Ball miterlebt?“
„Unverzeihlich,
ich weiß.“
„Wieso
hast du dich dieses Jahr dazu entschlossen?“, fragte ich und unterdrückte ein
Gähnen.
Rasmus
zögerte kurz, dann grinste er. „Das ist wohl ganz allein deine Schuld.“
„Und
nach unserem Streit wolltest du trotzdem noch herkommen?“
„Wäre
doch schade um meine Verkleidung gewesen. Tja, die hat jetzt zwar ziemlich
gelitten, aber“, er warf mir einen raschen Seitenblick zu, „ansonsten war das
wirklich nicht die schlechteste meiner Entscheidungen.“
„Mmh“,
machte ich geistesabwesend und rollte mich unter dem Vorhang zusammen.
Ich
hatte höchstens für fünf Sekunden die Augen geschlossen, als ich von einem
dumpfen Knall aufgeschreckt wurde. Einen Moment lang saß ich stocksteif da und starrte
in die Dunkelheit, bis mein vernebelter Verstand zu der Erkenntnis gelangte,
dass Rasmus etwas gegen den Schalter neben der Tür geworfen und somit das Licht
gelöscht hatte.
„Wasnlos?“,
brachte ich benommen hervor.
„Keine
Bange“, ertönte Rasmus‘ Stimme aus der Finsternis neben mir, „dieses Lallen
wirkt erstens ganz niedlich, und zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass es
nur von der Müdigkeit herrührt.“
„Wieso
wirfst du deinen Schuh gegen die Wand?“, artikulierte ich mit aller
Konzentration, die ich aufbringen konnte.
„Weil
ich zu faul war, um aufzustehen. Entschuldige.“
„Schön,
aber was soll das ?“
„Lily,
leg dich einfach wieder hin“, riet Rasmus mir milde, „und wenn du die Beine
ausgestreckt lässt, wird es dir auch gelingen, vor den Monstern davonzulaufen,
die dir im Traum eventuell begegnen werden. Uralter Trick.“
Um
mich zu sammeln, rieb ich mir mit den Fäusten die Augen und spürte, wie ich
dabei Krümel getrockneter Wimperntusche auf meinen Wangen verteilte. Als ich
antwortete, klang meine Stimme ungewöhnlich schrill. „Ich kann hier nicht
schlafen!“
„Dann
zähl in Gedanken Sektgläser.“
„Nein,
ich meine – das geht doch nicht! Ich kann hier nicht übernachten, in diesem
Raum und mit dir …“
„Falls
du dir über Fragen der Schicklichkeit den Kopf zerbrichst – ich bin keineswegs
so altmodisch wie mein Kostüm. Wobei“, er sah stirnrunzelnd an sich herab, „das
stammt ja aus dem letzten Winterschlussverkauf.“ Unwillkürlich folgte ich
seinem Blick und war gleich darauf recht zufrieden mit der Dunkelheit.
Allerdings kam mir die Vorstellung von einer Nacht mit Rasmus in der
Rumpelkammer nun noch viel unmöglicher vor.
„Das
geht einfach nicht“, protestierte ich ziemlich lahm, „ich hab doch Jinxy
versprochen, dass ich heute bei ihr übernachte …“
„Schreib
ihr, dass du doch nach Hause gefahren bist, um deinen Rausch auszuschlafen“,
forderte Rasmus, und es hörte sich nicht so an, als würde er irgendwelche
Einwände gelten lassen. „Was, nebenbei bemerkt, gar keine so schlechte Idee
wäre, wenn unsere Kostüme nicht
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