Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
klatschnass und die Leute im Ballsaal
vermutlich noch am Tanzen wären. Wenn wir gleich sekttriefend an ihnen vorbei
zum Ausgang marschieren, hätten wir uns die Flucht hierher ebenso gut sparen
können. Falls du wirklich nicht möchtest, dass man dich als
Sektbrunnen-Saboteurin entlarvt, werden wir wohl hierbleiben müssen.“
„Aber
wie stellst du dir das vor?“
„Gemütlich“,
gab er ungerührt zurück. „Wir lassen unsere Sachen hier trocknen, und während
das Personal morgen Früh aufräumt, schleichen wir uns hinaus.“
Ich
setzte zu einem weiteren Protest an, aber die Müdigkeit lastete so schwer auf
mir, dass ich mich stattdessen auf die Tischtücher zurückfallen ließ und nach
meinem Handy griff. Stille breitete sich in der finsteren Kammer aus, während
ich eine knappe SMS an Jinxy schrieb und dann halb vor mich hin dösend darauf
wartete, dass meine Freundin mir antwortete. Ihre Nachricht enthielt
erstaunlich viele Fragezeichen, aber ich fühlte mich nicht mehr in der Lage
dazu, ihre Neugierde zu befriedigen. Stattdessen ließ ich mein Handy auf den
Boden gleiten und schielte dann zu Rasmus hinüber. Es war zu dunkel, um zu
erkennen, ob er schon die Augen geschlossen hatte, aber ich konnte seine
tiefen, ruhigen Atemzüge hören. Er lag genau wie ich auf dem Rücken, die Arme
dicht an seinem Körper und in einiger Entfernung zu mir. Tatsächlich kam es mir
so vor, als hätte ein mittelgroßer Elefant bequem zwischen uns Platz gefunden.
Von wegen nicht altmodisch!
Ich
tat, als würde ich wohlig aufseufzen, und wälzte mich einmal herum – es konnte
ja wohl niemand erwarten, dass ich den züchtigen Abstand zwischen uns auch
einhielt, während ich tief und fest schlief. Dann rollte ich mich zusammen,
rutschte dabei noch ein Stück nach hinten und stieß mit dem Rücken gegen
Rasmus. Zu meiner unendlichen Genugtuung setzte seine Atmung einen Moment aus –
er schlief also auch nicht. Die Haut an seiner Brust fühlte sich an meinem
Nacken und meinen Schultern, die das Hemdchen freiließ, fast heiß an. Na
komm schon , dachte ich verbissen und bemerkte, dass ich die Rolle der selig
Schlummernden nicht mehr ganz so überzeugend spielte. Ich dehnte mich wie im
Schlaf, seufzte noch einmal und schickte sogar ein winzig kleines Schnarchen
hinterher, das sich jedoch weniger niedlich anhörte als erhofft, sodass ich es
lieber dabei beließ. Endlich schlang er den Arm um mich und zog mich eng an
sich. Seine Hand war zuerst an meine Hüfte, schob dann den Saum meines
Unterhemds ein Stück hinauf und blieb auf meiner Taille liegen. Inzwischen
wanderte sein Mund von meiner Schulter zu meinem Hals, und schließlich murmelte
er in mein Ohr: „Was ist bloß aus dem guten alten Gähnen-und-Strecken
geworden?“
Ich
erstarrte, heilfroh darüber, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte. „Ich
schätze, das war die Version für die Horizontale“, wisperte ich betreten
zurück. Als er lachte, spürte ich das Vibrieren seiner Brust an meinem Rücken.
Ganz vorsichtig, um mich bloß nicht aus seiner Umarmung zu befreien, zerrte ich
den Samtvorhang bis zu meinem Kinn hoch, sodass meine entwürdigende Kleidung
verdeckt wurde – Rasmus sollte morgen Früh keine Gelegenheit bekommen, die
rollschuhlaufenden Hello Kitties aus nächster Nähe zu bewundern.
Andererseits hatte er meinen Aufzug noch mit keinem einzigen Wort erwähnt.
Unter seiner rauen Schale war er eben doch ein Gentleman. Überhaupt war er viel
erwachsener als die anderen Jungs in seinem Alter, so viel – „Schlaf gut“,
sagte er an meinem Nacken, „Kätzchen.“
Als
ich aufwachte, sickerte graues Morgenlicht durch die staubige Scheibe des
kleinen Fensters. Hinter meiner rechten Schläfe machte sich der Sekt mit einem
leichten Pochen bemerkbar, aber ich hatte das Gefühl, wieder Herr meiner Sinne
zu sein – zumindest einigermaßen. Ich fröstelte und tastete nach dem Vorhang,
doch meine Finger griffen ins Leere. Sofort setzte ich mich auf und schaute zu
Rasmus. Er hatte mir im Schlaf die Decke geklaut und sich darunter
zusammengerollt; weil er mir den Rücken zugekehrt hatte, konnte ich nur seine
zerwühlten dunklen Haare erkennen. Die Gewissheit, dass dieser spöttische und
allzu oft allzu unnahbare Junge gerade tief und unschuldig schlief, verursachte
ein leichtes Ziehen in meinem Inneren. Geistesgegenwärtig schnappte ich mir
meine Handtasche, die neben unserem Notlager auf dem Boden stand, fischte ein
Pfefferminzbonbon heraus und zermalmte es
Weitere Kostenlose Bücher