Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
Vom Netzwerk:
möglichst lautlos zwischen den
Zähnen. Dann beugte ich mich zu Rasmus hinüber.
    „Hey“,
flüsterte ich ihm zu, „ich erfriere!“
    Er
brauchte noch einen sanften und einen etwas unsanfteren Stups in den Rücken,
bis er sich regte. Die Art, wie er tief einatmete und sich dann langsam
umdrehte, verriet mir, dass er nicht schauspielerte, sondern tatsächlich noch
im Halbschlaf war. Ohne die Augen zu öffnen hielt er mir die Decke auf. Etwas
enttäuscht erkannte ich, dass er wieder sein Hemd trug – wann hatte er das denn
bitteschön angezogen? – aber das konnte man schließlich ändern. Ich kroch zu
ihm und er ließ den Vorhang fallen; dann legte er den Arm fest um mich und
atmete gleichmäßig in mein Haar. Trotz seiner Körperwärme fror ich weiterhin,
und der Stoff seines Hemdes war immer noch ein bisschen klamm. Ich legte den
Kopf in den Nacken und sah in sein Gesicht; dies wäre die perfekte Gelegenheit
gewesen, es ungestraft verträumt anzustarren, doch nun hatte ich anderes im
Sinn. Vorsichtig streckte ich mich zu ihm hinauf und küsste ihn auf den Mund.
Seine Lippen waren ganz weich und bewegten sich kaum. Er hatte überhaupt kein
Pfefferminzbonbon nötig, sein schlaftrunkener Kuss war das Süßeste, was ich
seit langem – oder jemals – erlebt hatte. Verstohlen tastete ich nach der
Knopfleiste seines Hemdes, doch als er nicht reagierte, wurde ich geradezu
tollkühn. Vier Knöpfe hatte ich bereits geöffnet, da zuckte er plötzlich
zusammen. Ich konnte fühlen, wie sein Herz richtig schnell zu schlagen anfing –
jetzt war er wirklich wach. Rasch löste ich noch die letzten zwei Knöpfe, dann
fuhr ich mit beiden Händen über seine Schultern und unter den Stoff seines
Hemdes, um es ihm abzustreifen. Unvermittelt richtete er sich auf und schob mich
ein Stück von sich weg.
    „Wie
spät ist es?“, fragte er grausam sachlich und rieb sich die Augen. „Wir sollten
besser von hier verschwinden, bevor die Putzkolonne auftaucht. Das könnte sonst
etwas peinlich werden.“
    Als
er meine Miene bemerkte, verzog sich sein Mund zu einem Grinsen, das alles war:
wissend, entschuldigend, lieb und zugleich äußerst spöttisch. Während er mit
der rechten Hand schon dabei war, die Knöpfe an seinem Hemd wieder zu
schließen, stützte er die linke neben meinem Kopf ab und beugte sich über mich.
    „Tut
mir leid, Lily“, murmelte er nahe an meinem Gesicht. Mühsam widerstand ich der
Versuchung, seine Grübchen zu berühren, und konzentrierte mich stattdessen auf
meinen grimmigen Blick. „Ich weiß schon – Morgenstund‘ hat Gold im Mund. Alles
klar. Aber in deiner Vorstellung war das auch nie in einer Rumpelkammer, oder?“
    Ich
spürte, wie meine dreimal verfluchten Wangen sich verfärbten. Rasmus zog die
Augenbrauen schräg in die Höhe, sodass sie ein umgedrehtes V bildeten.
    „Wirklich?“,
fragte er, und seine Stimme bebte vor unterdrücktem Lachen. „Davon träumen die
Mädchen heutzutage? Was ist aus den Rücksitzen eines Sportwagens geworden, oder
aus der Anrichte in der Küche?“
    Meine
verzweifelt umhertastenden Finger hatten den Henkel meiner Handtasche zu fassen
bekommen, die ich gleich darauf gegen Rasmus‘ aufgestützten Arm klatschen ließ.
    „Entschuldige“,
sagte ich würdevoll, schlüpfte unter ihm hervor und schüttelte meine Haare aus.
„Ich hatte vergessen, dass ich ein Buch eingepackt hatte. So ein richtig
dickes.“

 
    10.
Kapitel
     
    „Man
möchte meinen, dass wir wirklich genug für diesen elenden Ball geschuftet
haben“, maulte Jinxy, stopfte die gefaltete Zugbrücke achtlos in einen Karton
und setzte sich dann mit voller Wucht auf den Deckel, um ihn zu schließen. Ich
stöhnte leise bei dem Gedanken daran, wie viel Arbeit die Konstruktion der Burg
gewesen war; allerdings hatte ich auch nichts dagegen, hier so schnell wie
möglich fertig zu werden. Die Sonne war bereits am Untergehen, und obwohl die
zahlreichen Fenster auch noch die letzten Strahlen hereinließen, wurde es im
Ballsaal allmählich dämmrig. Nun, da der Parkettboden mit Verpackungsmaterial
bedeckt war und missmutige Schüler in Straßenkleidung unter den dunklen
Kronleuchtern auf und ab liefen, wirkte der Raum deutlich weniger atemberaubend
als am Abend zuvor.
    „Elender
Ball?“, wiederholte ich und sah Jinxy fragend an. „Mir kam es eigentlich so
vor, als hättest du dich mit deinem Begleiter ganz gut amüsiert.“
    „Nicht
halb so gut wie du wahrscheinlich“, erwiderte sie düster und quetschte

Weitere Kostenlose Bücher