Verbannte der Ewigkeit
Verbannten sprang man nicht eben zimperlich um.
Barrett winkte Mel Rüdiger heran, einen dicken Anarchisten mit einem rosafarbenen Gesicht. Rüdiger gab dem Neuen eine Alkoholinjektion in den Arm. Charley Norton bot ihm ein Stück der kostbaren Schokolade an, aber er lehnte ab.
Der Neue sah ziemlich mitgenommen aus – einer der extremsten Fälle von Zeitreiseschock, die ich je gesehen habe, dachte Jim Barrett. Noch hatte der Neue keine zusammenhängenden Worte gesprochen. Vielleicht nahm die Zeitreise einen jüngeren Menschen stärker mit als die anderen.
»Wir bringen dich erst einmal in die Krankenstation zur Untersuchung«, sagte Barrett. »Dann weisen wir dir ein Quartier zu. Später ist dann Zeit, dir alles zu zeigen, und es ist Gelegenheit, die anderen kennenzulernen. Wie heißt du?«
»Hahn, Lew Hahn.«
Die Stimme war nur ein rauhes Flüstern.
»Ich habe nicht verstanden …«, sagte Barrett.
»Hahn«, wiederholte der Mann, immer noch fast unhörbar.
»Aus welchem Jahr kommst du, Hahn?«
»2029.«
»Wie fühlst du dich?«
»Schrecklich; ich kann gar nicht glauben, was da mit mir geschehen ist. So etwas wie das Hawksbill-Lager kann es doch gar nicht geben!«
»Ich fürchte, doch«, sagte Barrett. »Zumindest für die meisten von uns. Einige der Männer glauben, das Ganze sei nur eine Drogen-Halluzination, glauben, daß wir immer noch im einundzwanzigsten Jahrhundert sind. Aber ich glaube nicht daran. Wenn es eine Illusion ist, dann eine verdammt gute. Komm.«
Barrett legte einen Arm um Hahns Schulter und führte ihn durch das Hauptgebäude hinaus und in die nahegelegene Krankenstation. Er wunderte sich, unter der Tunika des hageren, gebrechlich wirkenden Mannes stahlharte Muskeln zu spüren. Hahn war sicherlich kräftiger und weniger hilflos, als es den Anschein hatte. Und das war nur zu seinem Vorteil, denn Schwächlinge hatten hier selten eine Chance.
»Sieh dich um«, sagte Barrett, als sie aus dem Gebäude traten. Hahn fuhr sich über die Augen, als müsse er einen unsichtbaren Schleier fortwischen.
»Eine spätkambrische Landschaft«, sagte Barrett leise. »Der Traum eines jeden Geologen, nur scheinen Geologen sich selten zu politischen Gefangenen zu entwickeln. Vor dir siehst du, was später die Appalachen sein werden. Sie sind mehrere hundert Kilometer breit und Tausende lang und reichen vom Golf von Mexiko bis nach Neufundland. Im Osten liegt der Atlantische Ozean, und etwas mehr im Westen der Innere See, wie wir ihn nennen, ein Becken von über fünfhundert Kilometern Durchmesser. Ungefähr zweitausend Kilometer im Westen liegen die späteren Kordilleren, auch sie sind mit Wasser gefüllt. Am gegenüberliegenden Ufer des Inneren Sees ist ein Landmassiv, das später einmal Kalifornien, Oregon und Washington heißen wird. Auf diesen Zeitpunkt brauchst du allerdings nicht zu warten. Ich hoffe, du magst Meeresnahrung, Lew.«
Die Ozeane wimmelten von Leben, aber während dieser Stufe der Evolution lebte an Land nichts weiter als die Männer des Lagers. Die Oberfläche des Planeten bestand aus rauhem Fels, völlig kahl. Nur selten fand man Spuren von Moos oder ein paar Flechten, und nur ganz vereinzelt ein paar Erdklümpchen, die sich durch die Erosion der Felsen an geschützten Stellen gesammelt hatten. Man hätte sich selbst über ein paar Küchenschaben gefreut, aber die Insekten waren wohl noch zwei geologische Perioden in der Zukunft. Für Landbewohner war das eine tote Welt, eine ungeborene Welt.
Kopfschüttelnd trat Hahn in die Krankenstation ein. Barrett führte ihn in den kleinen, hellerleuchteten Untersuchungsraum des Lagers. Doc Quesada erwartete sie bereits.
Quesada war kein richtiger Arzt, aber er hatte einmal als medizinisch-technischer Assistent gearbeitet, und das mußte reichen. Er war von bulliger Statur, mit einer vorspringenden Nase, und strahlte Selbstvertrauen und Ruhe aus. Zu seiner Ehre mußte gesagt werden, daß er bisher selten Fehler gemacht hatte, wenn man an die beschränkten Möglichkeiten für eine ärztliche Behandlung hier dachte. Barrett hatte dabeigestanden, wie er Blinddärme entfernt und Gliedmaßen amputiert hatte. In seinem weißen Kittel dazu sah er tatsächlich wie ein Mediziner aus.
»Doc, das ist Lew Hahn. Er steht noch unter Zeitreise-Schock, bring ihn wieder auf die Beine.«
Quesada führte den Mann zu einer Pritsche und öffnete seine Tunika. Dann suchte er sein Handwerkszeug zusammen. Das Lager war seit einiger Zeit verhältnismäßig gut
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