Verbannte der Ewigkeit
Ohren, führte ihm Luft und Nahrung durch eine Röhre zu, verband ihm die Augen und legte ihn in ein warmes Wasserbad. Schon nach ein paar Tagen verfällt der Wille, zerbröckelt das Ego. Barrett konnte die ersten Tage im Isolations-Tank auch nicht schlafen.
Während er in dem Tank lag, diktierte er im Geiste seine Biographie, um nicht den Verstand zu verlieren. Er erfand Denksportaufgaben, versuchte, sich alle Staaten der USA in Erinnerung zu rufen, samt ihren Hauptstädten.
Dann fiel ihm selbst das Denken immer schwerer, und er ließ sich einfach von dem Gefühl, in den Mutterleib zurückgekehrt zu sein, treiben. Manchmal dachte er, er sei bereits tot, und daß so das Leben nach dem Tode aussähe: ewige Ruhe und Gelöstheit, ein sanftes Treiben in der Unendlichkeit. Dann fing sich sein Verstand wieder, und er fieberte dem Tag entgegen, wo er herausgenommen und wieder verhört werden würde. Er wartete verzweifelt darauf – bis er schließlich auch das Warten aufgab.
Nach einer Zeitspanne, die nach seinem Gefühl auch hundert Jahre hätte lang sein können, holte man ihn heraus.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte ein Soldat. Seine Stimme klang wie das Kreischen einer Säge und Barrett schlug die Hände vor die Ohren und brach zusammen. Man hievte ihn wieder hoch.
»Sie werden sich wieder an Geräusche gewöhnen«, sagte der Mann.
»Aufhören«, flüsterte Barrett. »Hören Sie auf zu sprechen.«
Er konnte selbst den Klang seiner eigenen Stimme nicht ertragen. Er zitterte am ganzen Leib.
Eine Stunde später kam Jack Bernstein zu ihm. »Ausgeruht, glücklich und zur Zusammenarbeit bereit?« fragte er.
»Wie lange war ich in dem Tank?«
»Rechne nicht damit, daß ich dir das sage.«
»Eine Woche, einen Monat, ein Jahr? Welches Datum haben wir heute?«
»Das ist unwichtig, Jim.«
»Hör auf zu sprechen. Deine Stimme schmerzt mich.«
Bernstein lächelte. »Du wirst dich daran gewöhnen. Ich hoffe, du hast ein wenig nachgedacht, Zeit genug hattest du ja. Beantworte mir einfach ein paar Fragen, nenne mir einige Mitglieder deiner Gruppe, um damit zu beginnen. Nicht alle, nur die wichtigsten.«
»Du kennst sie«, murmelte Barrett erschöpft.
»Ich möchte sie von dir hören.«
»Wozu?«
»Vielleicht haben wir dich zu früh aus dem Tank genommen«, sann Bernstein.
»Dann bring mich zurück«, sagte Barrett.
»Stell dich nicht so an, mir ein paar Namen zu nennen.«
»Es schmerzt mich sogar, meine eigene Stimme zu hören.«
Bernstein verschränkte die Arme vor der Brust. »Lassen wir das mit den Namen fürs erste. Ich habe hier eine Aufstellung, die das Ausmaß deiner konterrevolutionären Aktivitäten beschreibt.«
»Konter revolutionär?«
»Ja, deine permanente Arbeit, die Ergebnisse der Revolution von 1984 zu zerschlagen.«
»Ich habe schon lange nicht mehr gehört, daß man uns konterrevolutionär genannt hat, Jack.«
»Jakob.«
»Jakob.«
»Danke. Ich werde die Erklärung verlesen, du kannst sie berichtigen, wenn du etwas Unkorrektes findest. Dann unterschreibst du sie bitte.« Er faltete ein paar Blätter Papier auseinander und verlas eine ziemlich lückenlose Beschreibung von Barretts Untergrundarbeit seit der ersten Teilnahme an einer Versammlung der Widerstandsbewegung. »Irgendwelche Kritik oder Änderungswünsche?« fügte er am Schluß hinzu.
»Nein.«
»Dann unterzeichne es bitte.«
»Meine Muskeln gehorchen mir noch nicht richtig. Ich kann keinen Stift halten. Vermutlich war ich zu lange im Tank.«
»Dann diktiere eine mündliche Einverständniserklärung. Wir fügen das Diagramm deiner Stimme dem Dokument hinzu.«
»Nein.«
»Dann bestreitest du doch, daß das eine korrekte Aufzeichnung ist? Du wirst doch nicht bestreiten, daß du bewußt auf den Sturz der gegenwärtigen, legalen Regierung hingearbeitet hast, oder?«
»Wird dir nicht schlecht, wenn solche Worte aus deinem eigenen Mund kommen, Jack?«
»Ich möchte dich warnen, meine Integrität in Frage zu stellen«, sagte Bernstein leise. »Vielleicht verstehst du meine Beweggründe nicht, die mich veranlaßten, vom Untergrund zur Regierung zu gehen, aber ich bin nicht hier, das mit dir zu diskutieren. Das ist dein Verhör, nicht meins.«
»Ich hoffe nur, daß du auch bald an der Reihe bist.«
»Das ist kaum zu befürchten.«
»Als wir anfingen, warntest du mich vor dem Regime. Du sagtest, ich sei in Gefahr, ein Sklave in einer versklavten Umwelt zu werden. Und ich sagte, ich sei lieber ein lebender Sklave als ein toter
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