Verbannte der Ewigkeit
gesessen hatte, als man ihn schließlich holte. Er hatte es nicht geschafft, die Tage genau zu zählen, seit er inhaftiert war. Auf jeden Fall waren es die längsten achtundzwanzig Tage, die er je verbracht hatte. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn man ihm gesagt hätte, daß er bereits vier Jahre hier gewesen sei. Ein kleiner Monitor-Roboter rollte vor ihm her durch die Gänge und Barrett wurde in einen Raum gebracht, wo man ihn noch einmal genau überprüfte und seine Personalien feststellte. Zwei andere Roboter geleiteten ihn dann in einen Nebenraum, in dem nur ein Schreibtisch, ein Stuhl davor und eine Couch an einer Wand standen. Man forderte ihn auf, sich hinzulegen und legte ihn in ein Fesselfeld. Es vergingen mehrere Stunden, bis endlich ein Teil der Wand zur Seite glitt und Jack Bernstein eintrat.
»Ich wußte, daß du kommst, Jack«, sagte Barrett.
»Bitte, nenn mich Jakob.«
»Früher hast du immer bestritten, so zu heißen. Erinnerst du dich noch, als ein paar Schulkameraden dich über den Schulhof jagten und immer ›Jakob, Jakob‹ riefen? Ich mußte dich damals immer in Schutz nehmen. Das war vor fünfundzwanzig Jahren, Jack, einem Drittel unseres Lebens.«
»Jakob!«
»Darf ich dich weiter Jack nennen? Ich bin es so gewohnt.«
»Dann gewöhnst du dir besser an, mich Jakob zu nennen, denn ich habe deine Zukunft in der Hand.«
»Ich habe keine Zukunft mehr, das weißt du selbst ganz genau.«
»Das muß nicht unbedingt so sein.«
»Was soll das, Jack? Du hast nur die Macht, zu entscheiden, ob ich in meine Zelle zurückgeschickt oder erst gefoltert werde. Offen gesagt, mir ist das völlig gleich. Ich bin nicht in deiner Gewalt, ganz gleich, was du mit mir tust.«
»Trotzdem könnte es für dich Vorteile haben, mit mir zusammenzuarbeiten, im Kleinen wie im Großen. Ganz gleich, für wie hoffnungslos du deine Lage hältst, noch lebst du, und du könntest feststellen, daß wir dir nichts antun wollen. Aber das hängt ganz von dir ab. Ich bevorzuge es, mich jetzt Jakob nennen zu lassen, und es dürfte dir nicht schwerfallen, dich daran zu gewöhnen.«
»Wenn du schon deinen Namen änderst, warum nicht in Judas?« fragte Barrett.
Bernstein schwieg auf diesen Angriff. Er kam hinter seinem Tisch hervor und musterte lange und schweigend den hilflosen Barrett. Zum erstenmal, seit ich ihn kenne, dachte Barrett, sieht er ruhig und ausgeglichen aus. Aber er hat viel Gewicht verloren, dachte Barrett. Seine Wangenknochen treten stärker hervor, und seine Augen … sie leuchten so eigentümlich …
»Du warst schon immer ein Dummkopf, Jim«, sagte Bernstein.
»Ja. Ich hatte nichts für die Revolution übrig, als du bereits im Untergrund arbeitetest. Dann hatte ich nicht genügend Verstand, zur anderen Seite überzulaufen, als die Zeit dafür günstig war.«
»Und jetzt bist du nicht schlau genug, dich den Verhältnissen anzupassen, in denen du dich befindest.«
»Ich habe nicht viel zu verlieren, Jakob.«
»Du willst dich nicht retten?«
»Es könnte sein, daß ich daran nicht interessiert bin.«
»Nun, ich denke, die Revolution braucht dich?« sagte Bernstein. »Es ist deine heilige Pflicht, dich der geweihten Sache zu widmen und auf den Umsturz der Regierung hinzuarbeiten.«
»Wirklich?«
»Sollte ich mich da irren?«
»Vielleicht, Jack. Ich habe die Revolution satt, ich glaube, am liebsten würde ich hier für die nächsten vierzig oder fünfzig Jahre liegen. Was das Gefängnis betrifft, so ist es übrigens ziemlich komfortabel.«
»Ich kann deine Freilassung erwirken«, sagte Bernstein. »Allerdings nur, wenn du mit mir zusammenarbeitest.«
Barrett lächelte. »Schon gut, Jakob. Sage mir, was du von mir willst, und ich werde sehen, ob ich dir die gewünschten Antworten geben kann.«
»In diesem Augenblick habe ich noch keine Fragen.«
»Überhaupt keine?«
»Nein, keine.«
»Ein seltsames Verhör, findest du nicht?«
»Du bist immer noch renitent«, sagte Bernstein. »Ich werde wiederkommen, dann werden wir uns noch einmal unterhalten.«
Bernstein ging hinaus. Man ließ Barrett noch gut zwei Stunden liegen, dann brachte man ihm eine Mahlzeit. Er rechnete damit, daß danach Bernstein wieder auftauchen würde, aber tatsächlich sah er den Mann für lange Zeit nicht wieder.
An diesem Abend brachte man ihn in den Isolations-Tank.
Eine Theorie besagt, daß ein völliger Entzug aller sinnlichen Wahrnehmungen den Willen eines Menschen sehr schnell brechen könne. Man verstopfte Barrett die
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