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Verblendung

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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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konnte schon vom Treppenabsatz aus feststellen, dass bei Frode auf der anderen Seite des Sundes alle Lichter erloschen waren. Sie blickte auf ihre Armbanduhr, die zehn Minuten nach Mitternacht anzeigte.
    Sie ging wieder ins Haus, öffnete den Schrank und holte den PC heraus, der die Bilder der Überwachungskameras speicherte, die sie draußen montiert hatte. Sie brauchte ein Weilchen, bis sie den Handlungsverlauf nachvollziehen konnte.
    Um 15.32 Uhr war Mikael nach Hause gekommen.
    Um 16.03 Uhr war er in den Garten gegangen und hatte Kaffee getrunken. Er hatte eine Mappe dabei, in der er konzentriert las. In der Stunde, die er im Garten verbrachte, hatte er drei kurze Anrufe getätigt. Alle drei Anrufe entsprachen auf die Minute genau den Anrufen, die sie nicht beantwortet hatte.
    Um 17.21 Uhr war Mikael spazieren gegangen. Weniger als fünfzehn Minuten später war er wieder zurück.
    Um 18.20 Uhr war er an den Zaun getreten und hatte Richtung Brücke geguckt.
    Um 21.03 Uhr war er hinausgegangen und nie zurückgekommen.
    Lisbeth sah sich im Schnelldurchlauf die Bilder auf dem anderen PC an, die den Zaun und die Straße vor der Haustür zeigten. Sie konnte sehen, welche Personen tagsüber vorbeigelaufen waren.
    Um 19.12 Uhr war Gunnar Nilsson nach Hause gekommen.
    Um 19.42 Uhr war jemand in dem Saab vom Östergården in Richtung Hedestad gefahren.
    Um 20.02 Uhr war das Auto zurückgekommen - eine kurze Fahrt zum Tankstellenkiosk?
    Danach passierte nichts bis genau 21 Uhr, als Martin Vangers Auto vorbeifuhr. Drei Minuten später hatte Mikael das Haus verlassen.
    Eine knappe Stunde später, um 21.50 Uhr war Martin Vanger plötzlich ins Sichtfeld des Objektivs getreten. Er stand über eine Minute am Zaun, betrachtete das Gästehäuschen und guckte durchs Küchenfenster. Er ging auf den Treppenabsatz und versuchte, die Tür aufzuschließen. Dann musste er entdeckt haben, dass ein neues Türschloss eingebaut worden war. Er blieb kurz stehen, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und das Häuschen verließ.
    Mit einem Mal spürte Lisbeth Salander, wie sich Eiseskälte in ihrer Magengegend ausbreitete.
     
    Martin Vanger hatte Mikael plötzlich allein gelassen. Er lag in unbequemer Haltung mit auf dem Rücken gefesselten Händen, den Hals mit einer dünnen Kette an einen Metallring am Boden gefesselt. Er fummelte an den Handschellen herum, wusste jedoch, dass er sie nicht öffnen konnte. Sie saßen so eng, dass ihm die Hände schon taub wurden.
    Er hatte keine Chance. Er blinzelte.
    Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er Martin Vangers Schritte wieder hörte.
    Der Unternehmensführer trat in sein Blickfeld. Er sah bekümmert aus.
    »Unbequem?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte Mikael.
    »Ihre eigene Schuld. Sie hätten nach Hause fahren sollen.«
    »Warum morden Sie?«
    »Ich habe damit eine Wahl getroffen. Ich könnte die ganze Nacht moralische und intellektuelle Aspekte meines Tuns mit Ihnen diskutieren, aber das ändert nichts an dieser Tatsache. Versuchen Sie es mal so zu sehen - ein Mensch ist eine Hülle aus Haut, die Zellen, Blut und chemische Komponenten an ihrem Platz hält. Ein paar wenige schaffen es bis in die Geschichtsbücher. Die meisten verschwinden spurlos.«
    »Sie ermorden Frauen.«
    »Wir, die morden, weil wir den Genuss bejahen - ich bin ja nicht alleine mit diesem Hobby -, wir leben das vollständige Leben.«
    »Aber warum Harriet? Ihre eigene Schwester?«
    Martin Vangers Gesicht veränderte sich plötzlich. Er war mit einem einzigen Schritt bei Mikael und packte ihn grob bei den Haaren.
    »Was ist mit ihr passiert?«
    »Was meinen Sie?«, keuchte Mikael.
    Er versuchte, den Kopf zu drehen, um den Schmerz auf der Kopfhaut zu mildern. Sofort zog sich die Kette um seinen Hals fester zusammen.
    »Salander und Sie. Was haben Sie herausgefunden?«
    »Lassen Sie mich los. Wir reden doch miteinander.«
    Martin Vanger ließ seine Haare los und setzte sich im Schneidersitz vor Mikael hin. Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. Er setzte die Messerspitze auf die Haut genau unter Mikaels Auge. Mikael zwang sich, ihm in die Augen zu sehen.
    »Was zum Teufel ist mit ihr passiert?«
    »Ich verstehe Sie nicht. Ich dachte, dass Sie sie umgebracht haben.«
    Martin Vanger starrte Mikael noch eine ganze Weile an. Dann entspannte er sich. Er stand auf und überlegte, während er durch den Raum lief. Er ließ das Messer nachlässig auf den Boden fallen und wandte sich Mikael zu.
    »Harriet, Harriet, immer

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