Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verblendung

Verblendung

Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
Vom Netzwerk:
wieder hochzurappeln. Sie traf ihn mit einem schnalzenden Geräusch an der Hüfte. Ein grauenvoller Laut entfuhr Martin Vangers Kehle. Der vierte Schlag traf ihn von hinten aufs Schulterblatt.
    »Lis … errth …«, krächzte Mikael.
    Er stand kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und der Schmerz in seinen Schläfen war fast unerträglich.
    Sie drehte sich zu Mikael um und sah, dass sein Gesicht tomatenrot angelaufen war, ihm die Zunge aus dem Mund quoll und er die Augen wild aufgerissen hatte.
    Sie sah sich rasch um und entdeckte das Messer auf dem Boden. Dann warf sie einen Blick auf Martin Vanger, der sich auf die Knie gestemmt hatte und mit einem schlaff herabhängenden Arm versuchte, auf sie zuzukriechen. Der würde in den nächsten Sekunden keine Probleme machen können. Sie ließ den Golfschläger fallen und holte sich das Messer. Es hatte zwar eine scharfe Spitze, die Schneide war jedoch stumpf. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und bewegte die Klinge fieberhaft hin und her, um den Lederriemen durchzuschneiden. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Mikael endlich auf den Boden fiel. Aber die Schlinge um seinen Hals hatte sich fest zusammengezogen.
     
    Lisbeth Salander warf noch einen Blick auf Martin Vanger. Er war wieder auf die Füße gekommen, krümmte sich aber vor Schmerzen. Sie ignorierte ihn und versuchte, ihre Finger unter die Würgeschlinge zu bekommen. Sie traute sich nicht zu schneiden, aber schließlich benutzte sie doch die Messerspitze und ritzte Mikael am Hals, als sie vorsichtig versuchte, die Schlinge aufzuziehen. Schließlich löste sich der Riemen und Mikael schnappte rasselnd nach Luft.
    Für einen Augenblick erlebte Mikael das phantastische Gefühl, wie Körper und Seele sich wieder vereinten. Er konnte wieder perfekt sehen und jedes Staubkorn im Raum erkennen. Er vernahm jeden Atemzug und jedes Rascheln von Kleidern, als ob die Geräusche durch ein Hörrohr an sein Ohr gelangten. Er nahm den Duft von Lisbeths Schweiß wahr und den Geruch ihrer Lederjacke. Dann verschwand diese Illusion, als ihm das Blut in den Kopf zurückströmte und sein Gesicht seine normale Farbe wiedererlangte.
    Lisbeth wandte den Kopf im selben Moment, in dem Martin Vanger durch die Tür nach draußen verschwand. Sie richtete sich auf und griff sich die Pistole - prüfte das Magazin und entsicherte. Mikael dachte, dass sie schon früher mit Waffen umgegangen sein musste. Sie sah sich um, und ihr Blick blieb an den Schlüsseln der Handschellen hängen, die deutlich sichtbar auf dem Boden lagen.
    »Den schnapp ich mir«, sagte sie und rannte zur Tür. Die Schlüssel nahm sie im Laufen auf und warf sie nach hinten zu Mikael auf den Boden.
    Mikael versuchte ihr zuzurufen, dass sie auf ihn warten solle, aber er brachte nur ein Krächzen heraus, und da war sie auch schon durch die Tür verschwunden.
    Lisbeth hatte nicht vergessen, dass Martin Vanger irgendwo noch ein Gewehr hatte, also blieb sie mit der Pistole in der Hand schussbereit stehen, als sie den Durchgang zwischen Garage und Küche betrat. Sie horchte, konnte aber kein Geräusch hören, das ihr verraten hätte, wo sich ihre Beute befand. Instinktiv ging sie in Richtung Küche und war fast schon dort, als sie hörte, wie auf dem Hof das Auto angelassen wurde.
    Sie rannte zurück und durch die Seitentür in die Garage. Von der Ausfahrt aus konnte sie die Rücklichter seines Wagens sehen, wie sie gerade Henriks Haus passierten und die Kurve hinunter zur Brücke beschrieben. Sie rannte ihm nach, so schnell ihre Beine sie trugen. Die Pistole stopfte sie in ihre Jackentasche und verlor keine Zeit mit dem Helm, als sie ihre Maschine startete. Wenige Sekunden später war sie auf dem Weg über die Brücke.
    Er hatte vielleicht einen Vorsprung von neunzig Sekunden, als sie den Kreisverkehr an der Auffahrt zur E4 erreichte. Sie konnte ihn nicht sehen. Sie bremste, stellte den Motor aus und lauschte.
    Am Himmel türmten sich dicke Wolken. Am Horizont sah sie die ersten Anzeichen der Dämmerung. Dann hörte sie ein Motorengeräusch und konnte ganz kurz Martin Vangers Auto auf der E4 Richtung Süden erkennen. Lisbeth ließ ihr Motorrad wieder an, legte den Gang ein und fuhr unter der Unterführung hindurch. Sie fuhr achtzig, als sie die Kurve der Autobahnauffahrt nahm. Vor ihr lag eine gerade Strecke. Da sie keinen Verkehr sah, gab sie Gas bis zum Anschlag und flog geradezu über die Fahrbahn. Ihre Geschwindigkeit lag bei hundertsiebzig, als sich der Weg an einer lang

Weitere Kostenlose Bücher