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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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überlegte kurz und versuchte, eine logische Erklärung zu finden.
    »Irgendwann ging Harriet auf, dass Gottfrieds Verbrechen nicht nur im Inzest bestanden, sondern dass er auch noch ein verrückter Serienmörder war«, sagte er.
    »Wir wissen nicht, wann sie hinter die Morde kam. Das kann auch unmittelbar vor Gottfrieds Tod gewesen sein. Vielleicht sogar später, falls er Tagebuch geführt oder Zeitungsartikel über die Morde gesammelt hatte. Irgendwas hat sie auf die richtige Fährte gebracht.«
    »Das war aber nicht das, was sie Henrik zu erzählen drohte«, ergänzte Mikael.
    »Es war Martin«, sagte Lisbeth. »Ihr Vater war tot, doch Martin hörte nicht auf, sie zu belästigen.«
    »Genau.« Mikael nickte.
    »Aber sie brauchte ein Jahr, bis sie endlich handelte.«
    »Was würdest du denn machen, wenn du plötzlich entdecken würdest, dass dein Vater ein wahnsinniger Serienmörder ist, der deinen Bruder gefickt hat?«
    »Den ganzen Scheiß kurz und klein hauen«, erwiderte Lisbeth mit derart nüchterner Stimme, dass Mikael vermuten musste, dass sie es ernst meinte. Plötzlich hatte er ihr Gesicht wieder vor Augen, wie es ausgesehen hatte, als sie auf Martin Vanger losging. Er lächelte freudlos.
    »Ihr Vater starb 1965, bevor sie loslegte. Das ist auch logisch. Nach Gottfrieds Tod schickte Isabella Martin nach Uppsala. Er war vielleicht über Weihnachten und in den Ferien mal zu Hause, aber im Laufe des folgenden Jahres traf er Harriet nicht besonders oft. Sie bekam Abstand zu ihm.«
    »Und sie begann die Bibel gründlich zu lesen«, ergänzte sie.
    »Im Lichte der Umstände, die uns heute bekannt sind, hat sie das wohl nicht aus religiösen Gründen getan. Sie wollte vielleicht einfach verstehen, was ihren Vater getrieben hatte. Sie grübelte bis zum Tag des Kindes 1966. Da sieht sie plötzlich ihren Bruder auf der Bahnhofstraße und weiß, dass er wieder zurück ist. Wir wissen nicht, ob sie miteinander gesprochen haben und ob er irgendwas gesagt hat. Aber was auch immer geschehen sein mag, Harriet sah sich veranlasst, direkt nach Hause zu fahren, um mit Henrik zu reden.«
    »Und dann verschwand sie.«
     
    Nachdem sie die Kette der Ereignisse durchgesprochen hatten, konnte man sich unschwer vorstellen, wie der Rest des Puzzles aussehen musste. Mikael und Lisbeth packten ihre Koffer. Bevor sie losfuhren, rief Mikael Dirch Frode an und gab ihm Bescheid, dass Lisbeth und er verreisen müssten. Vor seiner Abfahrt wolle er aber unbedingt noch Henrik Vanger treffen.
    Mikael wollte wissen, was Frode Henrik erzählt hatte. Die Stimme des Rechtsanwalts klang so gepresst, dass Mikael sich Sorgen um ihn machte. Schließlich erklärte er, ihm nur von Martins Unfalltod berichtet zu haben.
    Als Mikael vor dem Krankenhaus von Hedestad parkte, grollte schon wieder der Donner, und am Himmel hatten sich erneut dicke Regenwolken zusammengezogen. Als er eilig den Parkplatz überquerte, fielen die ersten Tropfen.
    Henrik Vanger saß im Morgenrock an einem Tisch vor dem Fenster. Die Krankheit war zweifellos nicht spurlos an ihm vorübergegangen, aber der alte Mann hatte wieder etwas Farbe im Gesicht und sah zumindest so aus, als sei er auf dem Wege der Besserung. Sie gaben sich die Hand. Mikael bat die Privatpflegerin, sie ein paar Minuten allein zu lassen.
    »Sie haben sich eine Weile ferngehalten«, sagte Henrik Vanger.
    Mikael nickte. »Ganz bewusst. Ihre Familie will nicht, dass ich mich hier sehen lasse, aber heute sind alle bei Isabella.«
    »Armer Martin«, sagte Henrik.
    »Henrik, Sie haben mich beauftragt, die Wahrheit ans Licht zu bringen und herauszufinden, was mit Harriet passiert ist. Hatten Sie erwartet, dass diese Wahrheit schmerzfrei für Sie sein würde?«
    Der Alte sah ihn an. Dann weiteten sich seine Augen.
    »Martin?«
    »Er ist ein Teil dieser Geschichte.«
    Henrik Vanger blinzelte.
    »Ich muss Sie jetzt etwas fragen.«
    »Was?«
    »Wollen Sie immer noch wissen, was geschehen ist? Auch, wenn es wehtut und die Wahrheit schrecklicher ist, als Sie es sich vorgestellt haben?«
    Henrik sah Mikael lange an. Dann nickte er.
    »Ich will es wissen. Das war Sinn und Zweck dieses Auftrags.«
    »Gut. Ich glaube, ich weiß, was mit Harriet passiert ist. Aber ich bin noch nicht ganz fertig, ein Puzzleteil fehlt noch.«
    »Erzählen Sie.«
    »Nein. Nicht heute. Ich will, dass Sie sich jetzt weiter erholen. Der Arzt sagt, dass die Krise überstanden ist und Sie langsam wieder zu Kräften kommen.«
    »Behandeln Sie mich nicht

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