Verborgene Liebesglut
Raum.
Wilcox schenkte Fiorinda nur ein flüchtiges Kopfnicken und wandte sich direkt an den Major. „Hättest du einen Augenblick Zeit für mich?" Livingston erkannte sofort, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen war. Achtlos schob er sein Frühstück beiseite und war augenblicklich an der Seite seines Freundes.
Ohne die anwesende Dame eines weiteren Blickes zu würdigen, verließen beide Männer den Raum und begaben sich in die Bibliothek.
Nachdem Wilcox die Tür sorgfältig hinter sich geschlossen hatte, ging er gedankenverloren an seinem Freund vorbei, setzte sich in eine der vielen Fensternischen, die sich längs des Raumes hinzogen, und schaute in den Park. Livingston war an seine Seite getreten, und beide konnten in der Ferne einen schwarzen Parasol erkennen, der unzweifelhaft das aristokratische Haupt von Lady Fairfax vor den Strahlen der Morgensonne schützte.
„Kann es sein", unterbrach der Major die Stille, „daß Lady Fairfax der Grund ist, warum du mich sprechen wolltest?" Der Lord nickte unmerklich. Dann wandte er sich um und schilderte dem Major in knappen Sätzen den Inhalt seiner Unterredung. Nachdenklich blickte Livingston auf seinen Freund hinab. „Du fürchtest, Lady Fairfax könnte etwas über Philippe in Erfahrung bringen?"
„Dieser Frau ist nicht zu trauen, Thomas." Wilcox atmete scharf ein. „Sie wäre dazu fähig, Philippe zu denunzieren, wenn sie etwas wüßte. Und das täte sie lediglich aus Rache dafür, daß ich Fiorinda nicht heiraten werde. Zu allem Überfluß hat sie mir soeben eröffnet, daß sie die Absicht hat, noch ein paar Tage länger auf Blenfield zu bleiben."
Überrascht blickte der Major ihn an. „Glaubst du, sie ahnt etwas?"
Wilcox überlegte einen Augenblick, bevor er antwortete. „Seit ihrer Ankunft auf Blenfield versucht sie, mit mir über die Hochzeit zu sprechen. Als ich aber vorhin dieses unglückselige Thema freiwillig anschnitt, ist sie mir ausgewichen und bat mich, die Unterhaltung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Ist das nicht merkwürdig?"
„Du glaubst, sie führt etwas im Schilde?"
Der Lord zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Aber ich will, daß sie so schnell wie möglich von Blenfield verschwindet. Und in der Zwischenzeit müssen wir alles daran setzen, sie von Philippe fernzuhalten."
Lachend schlug der Major die Hacken zusammen und salutierte. „Bei dieser Operation kannst du selbstverständlich mit meiner vollen Unterstützung rechnen."
Wilcox schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Lady Fairfax wünscht sich eine Ausfahrt mit der Chaise. Ich wäre dir dankbar, wenn du dich dabei ein wenig um Fiorinda kümmerst. Willst du das für mich tun?"
Der Major klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und erwiderte: „Die Dame hat ausnahmsweise recht: Wir sollten ein kleines Picknick veranstalten. Damit hätten wir Philippe immerhin schon einen ganzen Tag aus der Schußlinie von Lady Fairfax geschafft."
Wilcox konnte sich nicht helfen. Trotz seiner Nachdenklichkeit ließ er sich von Livingstons guter Laune wieder einmal anstecken.
„Wir sollten vielleicht auch einen kleinen Spaziergang machen, und nach dem Lunch kommen wir hierher zurück und planen den Ausflug."
Der Major sah ihn aufmunternd an. „So gefällst du mir viel besser."
Mit einem Mal pochte es sachte an der Tür, und Stanton trat leise in den Raum ein. „Mylord, kommen Sie schnell."
„Aber Stanton, ist es wirklich eilig? Major Livingston und ich müssen wichtige Dinge klären." Wilcox blickte den Diener irritiert an.
„Mylord, verzeihen Sie, aber Ihrem jungen Gast geht es nicht gut. Er hat fürchterliche Schmerzen und schickte mich, Sie zu holen."
Die beiden Männer sprangen besorgt auf. „Hast du nach dem Arzt geschickt? Ist es etwas Ernsthaftes?"
Doch ohne die Antwort abzuwarten, waren die Männer aus dem Raum gestürzt und liefen den Korridor entlang. Als sie im Schlafzimmer ankamen, fanden sie zu ihrem größten Erstaunen Lady Fairfax am Lager des Kranken.
„Wilcox! Da sind Sie ja endlich. Schließen Sie schnell die Tür. Der Junge darf keinen Zug bekommen." Aufgeregt tupfte sie mit einem feuchten Tuch die fiebrige Stirn des jungen Mannes ab. „Eine Ewigkeit hat das alles gedauert. Ich dachte schon, ich müßte hier alleine bleiben. Diesem Jungen geht es schlecht – sehen Sie das nicht?"
In der Tat war Wilcox über das Aussehen seines Freundes erschrocken. Zusammengekrümmt lag er im Bett, kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
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