Verborgene Liebesglut
zusammen: „Es müssen die seelischen Strapazen der vergangenen Wochen sein, die diesen drastischen Zusammenbruch herbeigeführt haben. Anders kann ich es mir nicht erklären. Der Junge hatte einen hervorragenden Appetit und verhielt sich recht ausgelassen. Glauben Sie etwa, daß es sich hier um etwas Ernsthaftes handelt? Müssen wir uns Sorgen machen? Nun sagen Sie doch, wird er wieder gesund, oder gibt es etwas, das Sie mir verschweigen?"
Der Arzt warf Wilcox über den Rand seiner Brille einen gedankenvollen Blick zu. „Er wird gesund werden, verlassen Sie sich darauf. Unter anderen Umständen würde ich vermuten, der junge Mann leidet an einer heftigen Speisevergiftung. Doch anscheinend ist er der einzige im ganzen Hause, der von den Symptomen befallen ist. Nun gut, die Krankheit könnte tatsächlich auf die angegriffene Konstitution des jungen Mannes zurückzuführen sein."
Für eine Weile schwiegen die Männer und schauten auf Philippe, der ruhig schlafend im Bett lag.
„Mylord, Sie müssen dafür sorgen, daß der Kranke in den kommenden Tagen viel Ruhe hat und nur leichte Kost zu sich nimmt. Er darf sich nicht anstrengen. Sein Zustand ist zwar nicht mehr bedrohlich, aber durchaus als kritisch zu bezeichnen."
Mit diesen Worten packte der Arzt seine Instrumente in seine Tasche zurück und verabschiedete sich von Wilcox. „Und denken Sie an meine Worte. Ich meine es ernst. Lassen Sie den Patienten nicht aus den Augen, und sollte Ihnen irgend etwas Ungewöhnliches auffallen, lassen Sie es mich auf der Stelle wissen."
Als er den Raum verließ, wandte er sich im Türrahmen nochmals um. „Und vergessen Sie nicht, sich bei Lady Fairfax zu bedanken. Wir wissen nicht, was geschehen wäre, wenn sie nicht im richtigen Moment eingegriffen hätte." Mit diesen Worten verschwand er und ließ den ratlosen Lord allein im Schlafgemach zurück.
Leise zog Wilcox einen Hocker an Philippes Bett und betrachtete den entkräfteten Körper. Er war erschrocken darüber, wie schnell sich der muntere junge Mann in einen Kranken verwandelt hatte. Doch trotz der Anstrengungen, welche er ertragen hatte, sah sein Gesicht jetzt im Schlaf rein und schön aus.
Die dunklen Locken umspielten den blassen Teint und gaben dem jungen Mann das Antlitz einer antiken Statue. An den regelmäßigen Bewegungen der entblößten Brust konnte Wilcox erkennen, daß sein Freund in einen ruhigeren Schlaf gefallen war. Erleichtert faßte er nach der Hand Philippes. Warum war alles nur so turbulent, seit dieser Mann auf Blenfield aufgetaucht war? Wenige Tage, ja geradezu Stunden hatten ausgereicht, um das Leben des Lords vollkommen umzukehren.
Wie sollte das alles weitergehen? Vieles hatte sich verändert und mußte neu überdacht werden, doch was würde passieren, wenn Philippe nun nicht mehr genesen würde? Wenn doch alle Strapazen zu anstrengend für diesen schutzbedürftigen und einsamen Menschen gewesen waren?
„O Philippe!" Wilcox drückte die kalte Hand des Kranken. „Du mußt wieder gesund werden! Bald schon wird alles in Ordnung kommen. Du wirst keine Angst mehr haben müssen, daß dich jemand verfolgt. Gemeinsam finden wir einen Weg aus der Dunkelheit."
Der Kranke stöhnte leise und öffnete für einen Moment schwach die Augen. Wilcox horchte auf. Wollte ihm Philippe etwas sägen? Bewegten sich nicht seine Lippen? Doch sicher war dies nur seine Einbildung gewesen, denn im gleichen Augenblick schien er wieder eingeschlafen zu sein.
Leise stand der Lord auf, trat ans Fenster und zog die Vorhänge zu. Er würde den Dienern Anweisungen geben, daß sie sich rund um die Uhr um Philippe kümmern müßten. Jeder seiner Wünsche sollte sofort erfüllt werden.
Gerade wollte Wilcox das Schlafgemach verlassen, als er eine schwache Stimme vernahm.
„Warte." Erschrocken drehte er sich um, eilte an das Bett und kniete neben dem Kranken nieder.
„Du darfst jetzt nicht sprechen, Philippe. Du bist zu schwach dafür."
Der junge Mann blickte ihn traurig an. „Wilcox", hauchte er, „danke."
Der Lord war erleichtert. „Aber nicht doch, mein Lieber", flüsterte er, „ich habe dir zu danken."
Beide schauten sich an und lächelten.
„Ich muß nun gehen, mein kranker Freund. Aber bald werde ich wiederkommen und auf dich aufpassen. Schlaf nun ein wenig und vergiß das Vergangene."
Er legte Philippe nochmals beruhigend seine Hand auf die Stirn, strich ihm die fiebernassen Locken zur Seite und verließ daraufhin den Raum.
Vor der Tür erwartete ihn
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