Verborgene Liebesglut
Vielleicht läßt er dich ja in der Küche das Silber polieren."
„Wilcox!" rief Philippe gespielt enttäuscht. „Beim Abendessen möchte ich anwesend sein. Ich werde Stanton hoch und heilig versprechen, kein Glas zu zerbrechen. Aber es wäre doch ein Heidenspaß, wenn ich der Lady zum Dessert den schweren Likörwein serviere, den ihr auf Blenfield so gerne trinkt."
Wilcox blickte ihn fragend an. Mit dem Lächeln eines Spitzbuben fügte Philippe hinzu: „Glaubst du nicht, daß so ein Weinfleck sehr unpassend wäre auf der Abendrobe einer Lady?"
Wilcox lachte schallend auf. „Ich wußte gar nicht, daß du so ein freches Bürschchen bist!"
Dann wurde er plötzlich ernst. Besorgt blickte er seinen jungen Freund an. „Du mußt mir versprechen, sehr vorsichtig zu sein, wenn Lady Fairfax in der Nähe ist. Man kann ihr nicht trauen, und es ist für deine Sicherheit unerläßlich, daß wir deine wahre Identität vor ihr und ihrer Tochter geheimhalten. Besonders jetzt, da ich meine Verbindung mit Fiorinda lösen werde, was bestimmt das Mißfallen der Lady hervorrufen wird. Versprichst du mir das?"
Philippe nickte. Mit einem Mal war jede Heiterkeit verschwunden, und die Schrecken seiner Flucht standen ihm allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Wilcox bereute sofort seine ernsten Worte. „Ich bin ein Narr, Philippe, verzeih! Ich wollte dich nicht beunruhigen." Beschämt blickte er zu Boden. Wie konnte er Philippe nur so ängstigen.
Doch der Junge schüttelte den Kopf. „Es ist nicht deine Schuld, Wilcox. Es tut gut zu lachen. Aber seit meiner Flucht aus Frankreich ist die Angst zu meinem ständigen Begleiter geworden. Sie läßt mich nie los – auch wenn wir fröhlich zusammen sind, so wie jetzt."
Während er sprach, blickte er hinaus in den Park, und plötzlich schien es Wilcox, als wäre Philippe weit fort von ihm, an einem unbekannten Ort der Erinnerung, wo er ihn nicht mehr erreichen konnte. Auch er richtete den Blick hinaus auf die Parklandschaft, die sich lieblich vor den Fenstern ausbreitete.
Eine warme Frühlingssonne hatte den Regen der vergangenen Tage vertrieben und tauchte die edlen Blumenrabatten und Sträucher in goldenes Licht.
Wieder begann Philippe zu sprechen. Dabei blickte er dem Lord offen und voller Vertrauen ins Gesicht. „Weißt du, Wilcox, gerade nachts habe ich die größte Angst. Ich fürchte mich davor, verfolgt zu werden, und dann überfällt mich ein grausames Gefühl der Einsamkeit. Ich kann es einfach nicht abschütteln."
Wilcox hatte sich inzwischen zu Philippe aufs Bett gesetzt und betrachtete voller Verständnis seinen jungen Kameraden. Wie oft hatte er im Kugelhagel vergangener Schlachten eine ähnliche Einsamkeit verspürt. Eine dunkle Locke war dem jungen Mann in die Stirn gefallen, die Philippe sich mit einer schüchternen Handbewegung aus dem Gesicht zu streichen versuchte. Diese kleine Geste ließ ihn in Wilcox' Augen mit einem Mal unendlich jung und verletzlich erscheinen.
Voller Mitgefühl sah er die Angst und Trauer in den Augen seines Freundes. Von einer plötzlichen Welle der Zuneigung ergriffen erklärte er: „Ich kann dir deine Angst nicht nehmen, aber ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dir ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Das schwöre ich!" Als wollte er seinen Worten Nachdruck verleihen, ergriff er Philippes Hand und legte sie auf seine kräftige Brust. Philippe sollte spüren, daß da ein Freund war, der ihn nicht verlassen würde. Und tatsächlich atmete der junge Mann befreit auf, als wäre eine Last von seinem Herzen gefallen.
Wilcox hatte geschworen, seinen Freund zu schützen und ihm beizustehen. Insgeheim beschloß er, noch heute mit Lady Fairfax zu sprechen, um die unselige Verlobung zu lösen. Er würde sich viel weniger um seinen jungen Freund sorgen, wenn die Geschichte ausgestanden war und seine ungebetenen Gäste das Schloß endlich verlassen hatten.
Doch noch etwas anderes, Verwirrendes spürte er, das ihn an Philippe band, doch er konnte es nicht greifen. Er lächelte Philippe an, ließ dann seine Hand los und schritt eilig aus dem Zimmer. Ohne sich umzudrehen, schloß er die Tür und bemerkte daher nicht den leidenschaftlichen Blick, den Philippe ihm hinterhersandte.
Wie immer in solchen Momenten suchte Wilcox die Ruhe der Bibliothek auf. Aufgewühlt ließ er sich in einen tiefen Fauteuil fallen, nur um gleich darauf wieder aufzuspringen und unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen.
Was war bloß mit ihm los? Noch vor
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